Toni Sailer & Co. als Helden der Nation

Christoph Eric Hack zeigt, wie der alpine Skisport half, die österreichische Nation zu inszenieren, die sich nach 1945 vom Nationalsozialismus abgrenzen wollte.

„Die Skiläuferin Dagmar Rom hat Österreich mehr gebracht als eine ganze Kompanie von Diplomaten.“ Diesen Satz fand Christoph Eric Hack bei der Recherche für seine Dissertation (Uni Graz, Geschichte, Betreuer: Helmut Konrad) in stenografischen Protokollen der Nationalratssitzungen. „So wichtig waren alpine Skisportler für die österreichische Nation“, sagt Hack. Er verband in der Arbeit die Leidenschaft für Sport mit seinem Beruf als Historiker und dem Interesse für die Inszenierung der österreichischen Nation nach 1945 – und lieferte eine Analyse darüber, welche Rolle der alpine Skisport bei der Erfindung der österreichischen Nation zwischen 1945 und 1964 spielte. „1964 war mein Limit, weil da die Olympischen Spiele in Innsbruck waren und es hieß: Der alpine Skisport kommt nach Hause! Außerdem entwickelten sich die Dinge nach dieser Zeit, v.a. als Karl Schranz 1972 nicht nach Sapporo durfte, anders“, sagt Hack.

Seine These war, dass nach 1945 der Skisport unserem Land eine neue Linie gab, mit der man sich von der nationalsozialistischen Zeit abgrenzte. „Ich war immer verblüfft, wie Österreich es geschafft hat, das starre, tief verwurzelte Regime der NSDAP im Mai 1945 plötzlich über Bord zu werfen.“ In den Biografien von 80 Skisportlern fand er, dass vor allem „Helden“ wie Toni Sailer und der (junge) Karl Schranz stark antipreußisch, antinationalsozialistisch, ja antipolitisch auftraten: naiv, vormodern, heimatverbunden und draufgängerisch, so wurde man zum „Helden der Nation“.

Hack ging auch auf die Genderthematik ein: „Die Skifahrerinnen wurden fast gleich behandelt wie ihre männlichen Kollegen. Im Vergleich zu Tennis oder Leichtathletik hatten die Sportlerinnen hohes Ansehen.“ Trotzdem galten die Jahre vor 1956, als Toni Sailer drei Goldene bei Olympia in Cortina gewann, als „Krisenjahre des ÖSV“: „Dabei gewannen Frauen in den 1940er- und 1950er-Jahren einige Goldmedaillen“, betont Hack. Er beschreibt auch die Selbstinszenierung, die Tiroler und andere Skiklubs nach 1945 starteten: „Die Zeit zwischen 1938 und 1945 wird in allen Chroniken so gut wie ausgeblendet.“ Auch das Thema Leibesübungen und der Lehrplan für Sportlehrer halfen bei der „Erfindung“ der österreichischen Nation nach 1945: „Skifahren wurde zur Staatsbürgererziehung erhoben“, sagt Hack, der seine Ergebnisse im Frühjahr 2014 im LIT-Verlag veröffentlichen will und derzeit Zivildienst (im Sportbereich) leistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2013)

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