Tu felix Austria, tanze!

Die Tanzwissenschaftlerin Karin Fenböck wollte wissen, ob das Ballett am Hof von Kaiserin Maria Theresia der politischen Annäherung an Frankreich diente.

Jahrhundertelang war Österreich mit Frankreich verfeindet, doch aus strategischen Gründen erschien Maria Theresia und ihren Beratern Mitte des 18. Jahrhunderts eine Annäherung sinnvoll. Während die Politik noch mit altem Misstrauen kämpfte, galoppierte die Kunst voran: Ballett galt damals als Inbegriff der französischen Kunst.

Vor allem Ludwig XIV. hatte es entscheidend geprägt, bis heute werden die damals entwickelten Beinpositionen oder Namen verwendet. Der Sonnenkönig nutzte es zur Demonstration von Macht und höfischer Ordnung: Er tanzte oft selbst mit, wie ein Fixstern ganz im Zentrum der symmetrisch-starren Choreografien, um den die anderen wie Planeten kreisten. Nun entzückten auch die (höfischen) Theater in Wien, eines davon ein neu gegründetes französisches, sowie ein mit viel Pomp und Meisterschaft inszeniertes Ballett den Adel und (zunehmend) das Bürgertum.

Karin Fenböck stellte in ihrer Dissertation an der Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft (Uni Salzburg, Betreuerin: Claudia Jeschke) die These auf, Ballett könnte instrumentalisiert worden sein, um die neue Außenpolitik Österreichs zu unterstreichen: „Seht, wir betreiben eure Kunst auf höchstem Niveau, wir sind euch kulturell nähergekommen.“ Leider aber Fehlanzeige: „Theater war relevant als Repräsentationsmittel, durch das sich der Kaiserhof als internationaler, politisch bedeutsamer Hof darstellte, der sich ein teures, virtuoses Theater leisten kann“, fand die Tanzwissenschaftlerin. „Ballett hatte da aber keine Sonderstellung.“

Dafür stolperte sie über eine von der Wissenschaft bis dato übersehene Persönlichkeit: Franz Anton Hilverding, Sohn einer Schaustellerfamilie, der es schaffte, das Ballett in Wien völlig umzukrempeln. Über 15 Jahre hinweg weichte er schrittweise die starren französischen Vorgaben auf: „Seine Choreografien waren nicht mehr zwingend symmetrisch, wurden mit der Zeit auch dynamischer“, so Fenböck, die Hilverding als Wegbereiter der Theaterreform jener Zeit einstuft.

„Er begann, Emotionen und nachvollziehbare Charaktere und Geschichten einzubauen, mit denen sich das Publikum identifizieren konnte – damals ein großer Schritt und für das konservative Wien auch nicht sehr wahrscheinlich.“ Er habe den Boden aufbereitet für Tänzer wie Gasparo Angiolini, einen Italiener, der zu den größten europäischen Ballettreformern zählt – und Hilverdings Schüler war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2014)

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