Tauschen, sparen und diskriminieren

Silvia Angerer und Philipp Lergetporer zeigen in spielerischen ökonomischen Experimenten, wie sich Geduld und Kooperationsbereitschaft im Kindesalter entwickeln.

„Fast alle Kinder der Stadt haben an unseren Experimenten teilgenommen“, sagt Philipp Lergetporer, einer der Innsbrucker Forscher, die untersuchen, wie sich ökonomisches Verhalten entwickelt. Als Teststadt diente Meran in Südtirol, das Testalter der Kinder war sechs bis elf Jahre. „In Meran ist etwa je die Hälfte der Einwohner italienisch- oder deutschsprachig. Daher konnten wir auch den Effekt von Sprachzugehörigkeit erforschen“, sagt Lergetporer. In dem großen Projekt von Wirtschaftsforscher Matthias Sutter arbeiteten Post-doc Daniela Glätzle-Rützler und die zwei Dissertanten Silvia Angerer und Philipp Lergetporer eng zusammen (Uni Innsbruck, Experimentelle Wirtschaftsforschung, finanziert vom Land Südtirol). Die Ergebnisse wurden in fünf wissenschaftlichen Artikel zusammengefasst, und Teile davon wurden bereits in Sutters Buch „Die Entdeckung der Geduld“ (ecowin) diskutiert.

„Wir wollten wissen, wie sich das bei Erwachsenen gut erforschte Verhalten im Kindesalter entwickelt. In den Versuchen führten wir Spiele durch wie mit Erwachsenen: Die Spielanleitung war kindgerecht angepasst, der Anreiz war nicht Geld, sondern Wertmünzen, die die Kinder gegen Obst oder kleines Spielzeug tauschen konnten“, so Lergetporer. Eines der Spiele zeigte, dass Geduld mit zunehmendem Alter ansteigt: Jedes Kind bekam fünf Wertmarken und konnte diese entweder sofort gegen kleine Geschenke tauschen oder vier Wochen später, dann jedoch zum doppelten Wert. „Wer auf den doppelten Wert wartet, zeigt Geduld. Es ist erwiesen, dass geduldige Kinder mehr Erfolg im Erwachsenenalter haben.“ Zudem zeigten deutschsprachige Kinder mehr Willen zum Sparen als italienischsprachige.

Weiters wurde belegt, dass Kinder mit anderssprachigen Schülern weniger kooperieren. Von fünf Münzen konnten sie einem anonymen Mitspieler beliebig viele geben. Beide „Kooperationspartner“ bekamen die abgegebenen Münzen verdoppelt. „Wenn dem Kind erklärt wurde, das andere Kind sei aus der eigenen Klasse, gab es eine hohe Kooperationsbereitschaft. Sie sank, wenn der Spieler wusste, das andere Kind stamme aus einer anderen Schule und war am geringsten, wenn es aus einer anderssprachigen Schule kam“, sagt Lergetporer. Doch der Versuch zeigte auch, dass die Kooperationsbereitschaft der Kinder mit dem Alter zunimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)

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