Darf man Zeugen manipulieren?

Georg Watschinger hat erstmals in Österreich untersucht, ob und wie in Schiedsgerichtsverfahren mit internationalen Anwälten die Zeugen beeinflusst werden dürfen.

Dürfen US-amerikanische Anwälte in Österreich vor Gericht auftreten? Im Zivilgericht nicht, wie man spätestens seit dem Kaprun-Prozess, bei dem Ed Fagan nicht Anwalt sein durfte, weiß. Doch vor dem Schiedsgericht stehen sich oft internationale Anwälte gegenüber.

„Das Schiedsverfahren ist eine Methode der Streitbeilegung, die schnell geht, von selbst gewählten Schiedsrichtern entschieden wird, und meist ohne Presse und Publikum abläuft“, sagt Georg Watschinger. Der Oberösterreicher hat seine Dissertation (Uni Innsbruck, Rechtswissenschaft, Betreuer: Hubertus Schumacher) der Frage gewidmet, ob und wie man Zeugen bei internationalen Schiedsgerichtsverfahren beeinflussen darf. US-Anwälte lernen in der Ausbildung, wie man Zeugen auf das Verfahren vorbereitet, ihre Aussagen vorab klar macht, und wie man durch Suggestiv- und Fangfragen Zeugen der anderen Partei beeinflusst.

„Das österreichische Recht ist viel strenger. Bisher hat noch niemand untersucht, was für einen heimischen Anwalt erlaubt ist, wenn er vor dem Schiedsgericht auf einen ausländischen Anwalt trifft“, sagt Watschinger. Würde jeder Anwalt nach dem Recht seiner Heimat handeln, würde „Waffenungleichheit“ herrschen.

„Bei uns ist jede ,unzulässige‘ Beeinflussung verboten. Die Frage ist, welche Beeinflussungen zulässig sind: jene, die den Wahrheitsgehalt der Aussage nicht verändern. Zeugenvorbereitungen können etwa den Zeugen vor Gericht selbstsicherer und glaubwürdiger machen“, so Watschinger. „Der US-Anwalt hat sogar die Pflicht, Zeugen zu ,coachen‘ und darf Aussagen schriftlich formulieren, die der Zeuge dann nur unterschreibt. Freilich steht auch im amerikanischen Codex, dass Falschaussagen zu vermeiden sind.“ Nun arbeitete Watschinger heraus, dass der Schiedsrichter jeweils „Prozessbeschlüsse“ fassen sollte, die vorab regeln, was erlaubt ist und was nicht. Für Verfahren in Österreich könnte eine solche Anweisung etwa lauten, dass schriftliche Aussagen nur angenommen werden, wenn sie der Zeuge und nicht der Anwalt formuliert hat.

Watschinger sieht seine Arbeit, die heuer als Buch erscheinen wird, auch als Leitfaden für heimische Anwälte, ihr Verhandlungsergebnis zu optimieren. Er geht darin auch auf die Psychologie im Kreuzverhör ein: „Suggestiv- und Fangfragen sind gefährlich. Sie dienen aber oft der Wahrheitsfindung und können im taktisch richtigen Moment über Sieg oder Niederlage entscheiden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.