Wenn der Staat bankrottgeht

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Der Jurist Johannes Langen hat ein Gesetzesmodell zur Prävention und Abwicklung von Staatsbankrotten entwickelt.

Johannes Langen kam durch Zufall an eine österreichische Uni. Der deutsche Jurist begann an der Uni Bonn seine Dissertation: Das Exposé war fertig, die Betreuerin zufrieden. Doch 2011 nach dem Fall Guttenberg änderten viele deutsche Unis die Zugangsregeln für Doktoranden. Plötzlich musste er nach einer neuen akademischen Heimat suchen. In Franz Leidenmühler am Institut für Europarecht der Uni Linz fand Langen einen Betreuer, der sich für das Thema interessierte: Staatsbankrott. Seit der Griechenland-Krise im Jahr 2010 fragte sich Langen: „Warum gibt es kein Gesetz für Staatsinsolvenzen?“

Für private Insolvenzen gibt es Gesetze zum Schutz der zahlungsunfähigen Personen oder Unternehmen sowie zum Schutz der Gläubiger. Doch für insolvente Staaten gibt es keine verbindlichen Regeln. „Stattdessen blieb die Staatspleite notgedrungen inoffiziell, und es wurde ein Monsterrettungspaket nach dem anderen nach Griechenland geschickt“, ärgert sich Langen.

Auch Deutschland war schon bankrott

In seiner Dissertation durchforstete er die Bibliotheken nach Ansatzpunkten, wie man bei Staatsinsolvenzen verfahren sollte. „Es gibt kaum Literatur dazu. Das wichtigste Modell für Staatsinsolvenz hat der Internationale Währungsfonds, IWF, entworfen, doch das ist zu sehr auf die Interessen des IWF selbst ausgerichtet. Weiters hatten nur einzelne Juristen oder NGOs abstrakte Ideen, wie Staatsinsolvenzgesetze aussehen könnten. Aber es gibt weltweit keine adäquate Lösung“, sagt Langen. Er vereinte nun Ideen aus dem privaten Insolvenzrecht, aus Gesetzen, die es in den USA für den Bankrott von Bundesstaaten gibt, und aus dem IWF-Modell: Zusätzlich prüfte Langen alle Modelle auf ihre Praxistauglichkeit und entwickelte ein neues Gesetzesmodell, das beim Bankrott eines ganzen Staats umsetzbar wäre.

„Fast jedes europäische Land war in den vergangenen 200 Jahren schon einmal bankrott, auch Deutschland zwei- bis dreimal. Doch offiziell spricht selten jemand von Staatsbankrott“, sagt Langen. Bisher setzten sich dann der Pariser Club (Club der Gläubigerstaaten) und der Londoner Club (die Gläubigerbanken) zusammen und versuchten, die insolventen Länder zu retten. „Mein Modell würde das Ganze viel transparenter machen und aus den Hinterzimmern dieser Clubs herausholen. Kleinanleger fallen bei den bisherigen Lösungen der großen Länder und Banken meist unter den Tisch.“

In Langens Modell ist der erste und wichtigste Schritt, das Insolvenzverfahren offiziell einzuleiten, damit der Staat unter sofortigen Gläubigerschutz gestellt wird: „Die Gläubiger können keine Forderungen mehr geltend machen und nichts aus der Vermögensmasse entnehmen.“ Das Verfahren dient auch zum Schutz der Gläubiger, weil der Staat zwar handlungsfähig bleibt, aber nicht mehr unbeschränkt über sein Vermögen verfügen kann: „Der Staat soll ja den Bankrott nicht verschlimmern!“

Rechtlich schlägt Langen ein Schiedsgericht vor, das je nach Bedarf im jeweiligen Land installiert wird: zusammengesetzt aus einem Schiedsrichter, den die Gläubiger bestimmen, einem Schiedsrichter der Schuldner und einem unabhängigen Vorsitz.

Ein solches Gesetz für Staatsinsolvenzen könnte auch die aufkommende Panik der Finanzmärkte verhindern. „Die wirtschaftlichen Schäden, die durch den Ausfall der Geldgeber auftreten, sind mitunter größer als durch den Bankrott selbst. Man darf den Staat bei einer Zahlungsunfähigkeit auf keinen Fall allein dastehen lassen.“ Langen hat sein neues Gesetzesmodell bereits publiziert, weiß jedoch nicht, ob sich höhere Instanzen überhaupt für ein einheitliches Staatsinsolvenzgesetz interessieren: „Das gibt es seit Jahrhunderten nicht, wieso sollte genau meine Dissertation daran etwas ändern?“

ZUR PERSON

Johannes Langen wurde 1981 in Mönchengladbach geboren, studierte an der Uni Bonn Rechtswissenschaften und arbeitet seit 2010 als Anwalt in Mönchengladbach. Seine Dissertation, „Völker- und europarechtliche Fragen des Staatsbankrotts“, die er im Mai 2014 mit Auszeichnung abschloss, schrieb er an der Uni Linz. Auch privat steht bald Auszeichnendes an: Anfang 2015 erwarten Langen und seine Frau ihr erstes Kind.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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