Computer mit scharfem Blick

Der Informatiker Thomas Pock will Computern die Prinzipien des menschlichen Sehens beibringen. Der junge Professor hat dafür eine hohe europäische Förderung erhalten.

Der Mensch kann in einer Zehntelsekunde eins aus 20.000 verschiedenen Objekten erkennen. Er kann feine Details auf einen Blick unterscheiden, sogar die Gesichter von Zwillingen. Das visuelle System von Menschen fasziniert Thomas Pock, der eine Stiftungsprofessur für Mobile Computer Vision des Austrian Institute of Technology, AIT, an der TU Graz innehat. Mit 36 Jahren ist Pock ein junger Professor, der international angesehen ist, wie auch der kürzlich verliehene ERC-Starting Grant mit bis zu 1,5 Millionen des Europäischen Forschungsrates beweist.

„Uns reichen wenige visuelle Informationen, um uns zurechtzufinden, etwa wenn man nachts im Regen Auto fährt“, sagt Pock. Sogar der beste Großrechner schafft nicht, was der Mensch kann. „Und wir brauchen für die Rechenleistung kaum Energie! Die Leistung des menschlichen Sehens auf Computer zu übertragen, davon ist die Wissenschaft noch weit entfernt.“ Wenn Pock über das technische Forschungsgebiet der „angewandten Mathematik“ spricht, klingt es nie trocken oder spröde. Zu jedem Algorithmus, den er entwickelt, fallen ihm zig Beispiele aus dem Alltag ein, bei denen die Rechenmethoden zu Verbesserungen führen können. Auch Stereosehen und die Wahrnehmung bewegter Objekte fallen in sein Spezialgebiet der Verarbeitung von Bildsequenzen.

„Es gibt bisher noch keinen Computer, der in einem Suchbild etwas entdecken kann, was man auf den ersten Blick nicht sieht. Wir Menschen können das“, sagt Pock. Mit dem ERC-Starting Grant möchte er untersuchen, ob auch Maschinen visuelle Täuschungen wie die Rubin'sche Vase, die zwischen zwei Gesichtern auftaucht, erkennen können. „Der erste Schritt ist zu verstehen, wie es beim Menschen funktioniert“, erklärt der Grazer. Das Wissen aus medizinischen und psychologischen Forschungen versucht er dann auf die Technik umzulegen. Anfangs mit Zettel und Bleistift: „Auch die Diskussion mit Kollegen ist wichtig, um die optimale Lösung eines Problems zu finden.“ Sein Team besteht aus sieben Dissertanten, einem Postdoc und Masterstudenten. „Mir ist es wichtig, als Professor nicht zum Wissenschaftsmanager zu werden, sondern selbst tief drinnen in der mathematischen Forschung zu bleiben“, betont Pock. Von Bleistift und Zettel wird er sich ebenso wenig verabschieden wie vom stundenlangen Tüfteln am Computer, wenn die numerischen Algorithmen programmiert werden müssen.

„Besonders stolz bin ich auf einen Algorithmus, den wir gemeinsam mit einem Kollegen der Pariser École Polytechnique entwickelt haben. Der ist so einfach, dass ihn jeder Student anwenden kann, und so effizient, dass es keinen Algorithmus gibt, der auf einer großen Klasse von Problemen schneller ist“, sagt Pock. Damit werden „konvexe Optimierungsprobleme“ gelöst, die im Alltag oft vorkommen: Bildrauschen kann ebenso behandelt werden wie Bewegungsabschätzung in Videos. So kann man etwa künstliche Zeitlupen aus Videobildern herausrechnen. „Auch Tiefeninformation aus Stereobildern kann damit berechnet werden. Und medizinische CT- oder Magnetresonanz-Aufnahmen können besser zu dreidimensionalen Darstellungen rekonstruiert werden.“

Zeit für Familie, Sport und Musik

So vielseitig die Forschungen des jungen Grazers sind, so facettenreich ist auch seine private Seite. Bereits während der Diplomarbeit an der TU Graz wurde Pock Vater einer Tochter, inzwischen hat er vier Kinder. „Ohne das perfekte Management meiner Frau zu Hause wäre es schwierig.“ Und es bleibt noch Zeit für Sport und Musik. Wenn das Wetter es zulässt, radelt Pock über 20 Kilometer vom Wohnort St. Radegund ins Grazer Zentrum. Zum Geigespielen kommt er hingegen seltener, doch mit den Kindern spielt er gern Klavier und Gitarre.

ZUR PERSON

Thomas Pock wurde 1978 in Graz geboren, studierte Telematik und ist Professor am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz. Aus familiären Gründen zog er nie ins Ausland, absolvierte aber sieben Monate Postdoc-Zeit an der Uni Bonn. Er stammt aus einer musikalischen Familie, lernte selbst Geige und hat vier Kinder. 2013 erhielt Pock den Start-Preis des FWF, im November 2014 den europäischen ERC-Starting Grant.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2015)

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