Verena Kleinrath: Forschen mit ethischem Kompass

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Die Physikerin Verena Kleinrath kann die Kernspaltung in 3-D-Bildern festhalten. Die friedliche Nutzung dieses „mächtigen Wissens“ ist ihr Antrieb für die Forschung.

„Eigentlich wollte ich Journalistin werden“, sagt Verena Kleinrath. Trotzdem inskribierte sie Technische Physik an der TU Wien. „Ich wollte an dem arbeiten, was mir schwerfällt, und mit dem Geld verdienen, was mir Spaß macht.“ So jobbte sie neben dem Studium als freie Journalistin bei den „Niederösterreichischen Nachrichten“. Und entdeckte langsam ihre Leidenschaft für die Kernphysik. „Die Arbeit der Internationalen Atomenergie-Behörde, IAEA, faszinierte mich und bekam vor dem Irak-Krieg durch die Nuklearwaffeninspektionen große Aufmerksamkeit“, sagt Kleinrath. „Kernspaltung ist so mächtig und so unerforscht. Da braucht es Wissenschaftler mit starkem ethischen Kompass.“ Dass die IAEA, die wichtigste Behörde für die friedliche Nutzung von Kernenergie, direkt in Wien sitzt, beflügelte Kleinraths Interesse.

Nach einem Erasmus-Aufenthalt in Schweden hatte sie bei ihrer Masterarbeit an der TU Wien erstmals Kontakt mit Forschern der IAEA. „Ich konnte dann ein Jahr in Karlsruhe am Kernforschungszentrum für die Europäische Kommission arbeiten. Seither weiß ich, dass ich gern im Ausland lebe und lerne. Obwohl so richtig Ausland ist Karlsruhe ja nicht“, schmunzelt Kleinrath. „Eine Sprachbarriere gab es wegen meiner österreichischen Aussprache aber schon öfters.“

Bizarrer Ort voller Wissenschaftler

Ihr Ziel war immer, einmal am weltweit berühmtesten Ort für Kernphysik zu arbeiten: am Los Alamos National Laboratory in New Mexico im Südwesten der USA. Doch ein Sprung aus Europa in das renommierte Regierungslabor ist schwer. Darum zog Kleinrath 2011 in den Nordwesten der USA, nach Potacello, um an der Idaho State University Nuclear Engineering zu studieren.

So hatte sie bald einen Fuß in der Tür des Eliteinstituts. „Die Experimente meines Projektes aus Idaho waren in Los Alamos, und der Teamleiter holte mich dann her“, sagt Kleinrath. Das Leben in dem kleinen Ort Los Alamos ist fast bizarr: Die meisten Einwohner der 10.000-Einwohner-Gemeinde sind Wissenschaftler. „Ob im Supermarkt oder beim Anstehen am Skilift: Du kannst dir sicher sein, der Typ vor und hinter dir hat einen Doktortitel.“

Durch das L'Oréal-Stipendium der österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Unesco wird auch Kleinrath bald die Dissertation fertig schreiben. Und zwar in Österreich. „Mein Visum läuft bald ab, zurzeit sammle ich in Los Alamos noch Daten. Ich freue mich nach vier Jahren Fernbeziehung sehr, dass ich bald mit meinem Freund, der auch Kernphysiker ist, in Wien zusammenziehen kann.“ An der TU Wien betreut sie Helmut Leeb, der sich in der Theorie mit genau den Dingen beschäftigt, die Kleinrath seit Jahren im Experiment untersucht. „Wir haben einen weltweit einzigartigen Detektor gebaut, der quasi ein Foto der Kernspaltung machen kann“, sagt Kleinrath. Freilich ist „Foto“ stark untertrieben, denn der Prozess der Kernspaltung ist zu schnell und zu klein, um ihn bildlich festzuhalten. „Doch wie meistens in der Physik schauen wir statt des Dings, das wir messen wollen, das an, womit das Ding interagiert.“

Konkret kann der von Kleinrath mitentwickelte Detektor namens Time Projection Chamber den Prozess der Kernspaltung in 3-D rekonstruieren und alle Bahnen der Spaltprodukte aufzeichnen. „Wie am CERN lassen wir Teilchen aufeinanderprallen. Doch dort sind solche Detektoren zwölf Meter hoch, bei uns hat die innerste Kammer die Größe einer Kaffeekanne. Auch die Energien sind hier niedriger.“ Trotzdem ist das Datenvolumen unglaublich groß.

„Wir sortieren die meisten Daten direkt am Detektor. Das verdanken wir eigentlich Handyherstellern, die Mikrochips entwickelt haben, mit denen wir auf kleinem Raum enorme Datenmengen verarbeiten können.“

ZUR PERSON

Verena Kleinrath wurde 1986 in Wiener Neustadt geboren und studierte an der TU Wien Technische Physik. Seit 2011 forscht die Kernphysikerin in den USA, derzeit am weltweit führenden Institut in Los Alamos, New Mexico. In dem kleinen Ort konnte sie durch ihre Vereinstätigkeit bei der Bergrettung schnell gute Freunde finden. Trotzdem freut sie sich auf die Rückkehr nach Österreich, die ihr durch ein L'Oréal-Stipendium ermöglicht wird.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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