Explosive Mathematik

Birgit Schörkhuber
Birgit Schörkhuber(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Birgit Schörkhuber untersucht Gleichungen, bei denen man an unüberwindbare Grenzen stößt. Mit Papier und Stift erlebt sie die Kreativität, die in der Mathematik steckt.

Einstein konnte Gleichungen sehr einfach formulieren. Das Naturgesetz E=mc2, das besagt, dass Masse und Energie stets mathematisch verbunden sind, ist vielen bekannt. Doch andere Einstein-Gleichungen sind so komplex, dass Physiker und Mathematiker bis heute an Methoden forschen, um deren Eigenschaften besser zu verstehen. Zum Beispiel beschreiben sie die Entstehung von schwarzen Löchern, in denen sich Punkte unendlicher Dichte, sogenannte Singularitäten, ausbilden.

„Ich beschäftige mich mit Gleichungen, die man als Spielzeugmodelle für die Einstein-Gleichungen betrachten kann: Sie haben ähnliche Eigenschaften, sind aber einfacher zu untersuchen“, erzählt Birgit Schörkhuber vom Institut für Mathematik der Uni Wien. In ihrer Schulzeit war sie von Mathematik noch nicht so begeistert: „Das war eher rechnen nach Kochrezept. Erst während des Studiums der Physik habe ich gemerkt, wie viel Kreativität in der Mathematik steckt.“

Vermutung muss bewiesen werden

Im Jänner dieses Jahres erhielt Schörkhuber für ihre mathematischen Forschungen den mit 10.000 Euro dotierten Hannspeter-Winter-Preis der TU Wien. Dort absolvierte Schörkhuber, die ursprünglich Physik und Astronomie an der Uni Wien studiert und ihre Diplomarbeit in der Forschungsgruppe für Gravitationsphysik geschrieben hat, ihr Doktoratstudium. Unter der Betreuung von Ansgar Jüngel (TU Wien) und Roland Donninger (Universität Bonn) beschäftigte sie sich am Institut für Analysis und Scientific Computing mit partiellen Differentialgleichungen. Solche Gleichungen beschreiben, wie sich ein physikalisches System mit der Zeit entwickelt. Zum Beispiel: Wie hoch muss ich die Heizung drehen, damit der ganze Raum in einer Stunde 22 Grad hat? Wie wird sich eine Welle im Swimmingpool ausbreiten? Wie verhält sich Licht in einem Glasfaserkabel?

Schörkhuber fokussierte sich in ihrer Forschung auf Gleichungen mit „explosivem“ Charakter. „Selbstverstärkende Effekte in Differentialgleichung können dazu führen, dass eine Lösung über alle Schranken wächst, sozusagen explodiert. Das bezeichnen wir dann als Blow-up“, sagt Schörkhuber. Ähnlich wie bei der Beschreibung schwarzer Löcher bricht an dieser Stelle das mathematische Modell zusammen. „In meiner Dissertation wollte ich wissen, ob es möglich ist, unter gewissen Umständen das Verhalten solcher Blow-up-Lösungen vorherzusagen. Am Anfang steht dabei immer eine Vermutung, die es dann zu beweisen gilt.“

Die Arbeit, bei der sie mit Papier und Bleistift grübelt, bis ein Beweis gefunden ist, macht ihr großen Spaß. „Das kreative Element liegt in der Beweisidee. Der Computer kommt bei unseren Fragestellungen eher als eine Art Taschenrechner zum Einsatz, der uns Arbeit abnimmt. Am Ende sollte ein Beweis aber Schritt für Schritt am Papier logisch nachvollziehbar sein.“

Spannend sei, sagt Schörkhuber, dass weltweit Forscher an ähnlichen Problemen tüfteln. Da ihr nun das Kunststück gelungen ist, typische Eigenschaften von Blow-up-Lösungen für Wellengleichungen zu finden, gab es positives Feedback aus der Community. „Zwischen unseren Forschergruppen ist ein gutes Netzwerk sehr wichtig“, sagt die Mathematikerin.

Im März wechselte Schörkhuber von der TU Wien zurück an die Uni Wien, wo sie mit einem Hertha-Firnberg-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF weiter an partiellen Differentialgleichungen forscht.

In ihrer Freizeit wandert sie gern im Nationalpark Kalkalpen, nahe ihrer Heimat Steyr: „Zu Fuß oder mit dem Mountainbike. Wenn Zeit und Wetter passen, bin ich am liebsten in der Natur draußen.“

ZUR PERSON

Birgit Schörkhuber (geboren 1981 in Steyr, Oberösterreich) studierte Astronomie und Physik an der Uni Wien. Ihre Dissertation in Mathematik schrieb sie über Blow-up in nicht-linearen Wellengleichungen an der TU Wien. Mit einem Hertha-Firnberg-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF kehrte sie an die Uni Wien zurück, um weiter die „Komplexität von einfachen eleganten Gleichungen“ zu erforschen.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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