Wenn Zellen miteinander sprechen

Rupert Mayer
Rupert MayerDie Presse
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Der Biochemiker Rupert Mayer erforscht die Proteine von Immunzellen der chronischen lymphatischen Leukämie. Ziel ist, neue Therapieansätze zu entwickeln.

„Chemie hat mich immer schon mehr interessiert als Physik“, sagt Rupert Mayer. Physik fand er eher fad. Im elterlichen Weinbaubetrieb konnte er Verständnis für chemische Vorgänge auch gut brauchen. In der Höheren Technischen Lehranstalt für chemische Industrie in Wien entschied er sich also in der dritten Klasse für den Schwerpunkt Biochemie. Damit schuf er bereits mit siebzehn Jahren eine Basis für seine wissenschaftliche Laufbahn. Heute erforscht der im niederösterreichischen Wolkersdorf aufgewachsene Mayer in seiner Dissertation die chronische lymphatische Leukämie, kurz CLL – jene Leukämieform, die bei Erwachsenen in Industrienationen am häufigsten vorkommt.

Betreut von Christopher Gerner, Leiter des Instituts für Analytische Chemie der Uni Wien, untersucht und analysiert er die Blutproben von gesunden und an CLL erkrankten Patienten mithilfe der Massenspektrometrie, einer Messung der Molekülmasse und der elektrischen Ladung von Proteinbruchstücken. Mehr als 8000 Proteine konnten so in den klinischen Proben identifiziert und zahlreiche, durch die Erkrankung verursachte Zusammenhänge festgestellt werden. „Noch vor zehn Jahren konnte nicht einmal ein Viertel der Proteine pro Experiment untersucht werden“, so Mayer.

Messmethoden weiter verbessern

Für seine Masterarbeit, die sich mit dem Verbessern dieser Messmethode beschäftigte, und sein Dissertationsprojekt wurde er 2014 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit dem Otto-Vogl-Preis ausgezeichnet. Dabei werden aus Blutproben im Labor B-Lymphozyten, auch B-Zellen genannt, isoliert. Bei CLL kommen im Blut vermehrt B-Lymphozyten vor, die beim gesunden Menschen für die Antikörperproduktion verantwortlich sind. Beim Kranken erzeugen diese Zellen keine intakten Antikörper mehr und können durch unkontrolliertes Wachstum wichtige Blutzellen verdrängen.

Durch das optimierte Messen mit hochauflösender Massenspektrometrie können tausende Proteine in sehr kurzer Zeit analysiert werden. Entscheidend ist das Vorbereiten der Proteine, die in Bruchstücke, sogenannte Peptide, gespalten werden. Das geschieht mit einem bestimmten Enzym, das etwa auch im Dünndarm des Menschen vorkommt. „Isst man zum Beispiel eine Bratwurst, hilft dieses Enzym, die Wurst im Dünndarm zu verdauen“, erklärt Mayer. Erst als Peptide sind die Proteine messbar. Die Proteinbruchstücke werden anschließend unter Hochspannung fein versprüht in das Massenspektrometer eingebracht und analysiert.

Der große Vorteil der Methode besteht in der hohen Anzahl an Proteinen, die in kurzer Zeit untersucht werden können. Nach der Analyse werden die gemessenen Peptide den entsprechenden Proteinen zugeordnet, gesunde und erkrankte Probanden verglichen. Diese Arbeit wird auf leistungsstarken Computern durchgeführt. Das Auswerten der Daten nimmt meist mehrere Tage in Anspruch. Die Ergebnisse sollen wertvolle Rückschlüsse auf zelluläre Mechanismen ermöglichen.

„Neben der Analyse der Leukämiezellen ist ein weiterer wichtiger Teil für uns das Beobachten des Cross-Talks der Zellen – also wie B-Lymphozyten und ihre Umgebungszellen miteinander kommunizieren“, so Mayer. Werden außerhalb des Körpers CLL-Zellkulturen im Labor angelegt, sterben sie rasch ab. Nur durch die Unterstützung von Umgebungszellen wie sie im menschlichen Organismus vorkommen, können sie überleben und sich vermehren. „Daher ist das Erforschen dieser Abläufe für das Bekämpfen dieser Erkrankung sehr interessant. Ein medikamentöses Unterbinden dieser Zellkommunikation wäre ein enormer Erfolg, weil dadurch ein entscheidender Einfluss auf die krankhaften B-Lymphozyten möglich werden könnte“, so Mayer.

ZUR PERSON

Rupert Mayer wurde 1988 in Wien geboren. Nach der Matura an der HTL für chemische Industrie studierte er am Dublin Institute of Technology in Irland Medicinal Chemistry and Pharmaceutical Sciences. Sein Masterstudium schloss er 2013 am Institut für Analytische Chemie der Uni Wien mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Seit mittlerweile zwei Jahren arbeitet er dort an seinem preisgekrönten Dissertationsprojekt.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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