Beate Priewasser: "Ich kann wissen, was du willst"

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Psychologin Beate Priewasser zieht aus dem Verhalten von Kindern beim Spielen Schlüsse über deren Entwicklung: in Kindergärten und im Kinderlabor der Uni Salzburg.

Aus dem Verhalten von Kindern kann man viele Schlüsse ziehen: Beate Priewasser führte in ihrer Dissertation an der Uni Salzburg im Fachbereich Psychologie verschiedene Spiele mit Kindergartenkindern durch. Dabei konnte sie erkennen, ab welchem Alter die Fähigkeit entsteht, die Ziele eines anderen Menschen aus dessen Perspektive zu verstehen. Es geht um das Forschungsgebiet der „Theory of Mind“, die besagt, dass Kinder ab circa vier Jahren verstehen, dass andere Menschen nicht nach der objektiven Realität handeln, sondern nach dem, was sie subjektiv mitbekommen.

Einfaches Beispiel: Man zeigt Kindern, dass eine Person namens Maxi Schokolade in die oberste Schublade legt und kurz den Raum verlässt. In der Zwischenzeit wird die Schokolade in der untersten Schublade versteckt. Kinder, die noch nicht verstehen, dass jeder Mensch nach seiner subjektiven Überzeugung handelt, werden dann sagen, dass Maxi die Schokolade in der untersten Lade suchen wird: Sie können sich nicht in ihn hinein versetzen und bedenken nicht, dass er beim Verstecken ja außerhalb des Raumes war. Ältere Kinder sagen sofort, dass Maxi die Schoko ganz oben suchen wird. Dieses Setting wird als „Falscher Glaube“-Test bezeichnet.

Spielen für die Wissenschaft

„Mein Doktorvater, Josef Perner, führte gemeinsam mit Heinz Wimmer in den 1980er-Jahren diese Studie zum ,Falschen Glauben‘ durch und begründete damit das Forschungsfeld rund um ,Theory of Mind‘“, sagt Priewasser. Sie wollte in ihrer Dissertation, finanziert vom Wissenschaftsfonds (FWF), zeigen, dass Kinder nicht nur erkennen können, woran ein anderer Mensch glaubt (wie im beschriebenen Setting), sondern sich auch in das hineinversetzen, was der andere erreichen will. „Wie wir handeln, ist immer ein Zusammenspiel zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wir glauben“, sagt Priewasser. Lang suchte sie nach einem Spiel, das aufzeigen kann, ob ein Kind den Unterschied zwischen dem, was ein anderer will, und dem, was ein anderer glaubt, versteht. „Schon in meiner Diplomarbeit habe ich mit Kindergartenkindern ein Spiel durchgeführt, um zu zeigen, ab welchem Alter das Verständnis für Ziele des anderen klar wird“, sagt sie.

Doch das „Penny Hiding“-Spiel, bei dem der Experimentator hinter seinem Rücken etwas in der Hand versteckt, war im Endeffekt nicht dafür geeignet. Daher verwendeten die Salzburger Psychologen ein kompetitives Spiel. Drei Kinder spielen zusammen, jeder würfelt und darf so viele Perlen sammeln, wie der Würfel anzeigt. Wer zuerst zwölf Perlen hat, gewinnt. „Aber bei jedem Spielzug kann das Kind entscheiden, ob es die Perlen aus einem Korb in der Mitte nehmen will oder von einem Mitspieler.“

Bei 74 Prozent aller Spielzüge nahmen die Kinder Perlen aus dem Gemeinschaftspool. Doch wer die Perlen von einem anderen Kind nahm, erkannte wohl, dass das Ziel des anderen (als Erster alle Perlen zu haben) im Widerspruch zum eigenen Ziel stand. Das erkannten nur jene Kinder, die auch im „Falschen Glauben“-Test die Perspektive von Maxi einnahmen, der nicht weiß, dass die Schokolade in der untersten Schublade liegt.

Diese Korrelation, dass Kinder im gleichen Alter verstehen, was ein anderer will und was ein anderer glaubt, entspricht nicht der Lehrmeinung anderer Psychologen, die annehmen, dass Kinder schon mit 18 Monaten verstehen, was ein anderer will. „In einem Folgeprojekt hier am neu eingerichteten Kinderlabor der Uni und in Kinderkrippen wollen wir auch mit jüngeren Kindern arbeiten: Da sie sich verbal noch nicht so gut ausdrücken können, nutzen wir ein Eyetracking-System. Die Kinder schauen ein kurzes Video an, und zugleich zeichnet eine Kamera die Pupillenbewegung der Kinder auf.“ Daran kann man ablesen, ob das, was die Kinder mit ihren Augen zeigen, mit dem übereinstimmt, was sie behaupten zu wissen.

„Die Arbeit mit Kindern ist mir zu Beginn des Studiums sehr abgegangen“, sagt die gelernte Kindergärtnerin. Nach neun Jahren als Kindergartenpädagogin zog die Oberösterreicherin 2003 nach Salzburg, um Psychologie zu studieren. Neben der forschenden Tätigkeit absolvierte sie die Ausbildung zur Therapeutin und arbeitet inzwischen auch als klinische Psychologin in der Therapie-Ambulanz der Uni Salzburg.

„Ich habe erst lernen müssen, meine Freizeit wirklich zu genießen: Sonst arbeitet man rund um die Uhr“, so Priewasser. Im eigenen Garten gärtnern, Yoga machen und auf Flohmärkte gehen sind nun ihre Lieblingsbeschäftigungen, wenn sie den Kopf freibekommen will.

ZUR PERSON

Beate Priewasser wurde 1975 in Ried im Innkreis geboren und arbeitete ab 1994 als Kindergärtnerin in Oberösterreich. Ab 2003 studierte sie in Salzburg Psychologie und arbeitet nun auch als klinische Psychologin u.a. in Seniorenheimen. Ihre Forschung konzentriert sich auf die kognitive Entwicklung von Kindern: „Ohne die freundliche Mithilfe von vielen Eltern und Einrichtungen, die mit Kindern arbeiten, könnte ich meine Studien nicht durchführen.“

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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