Herr über riesige Datenmengen

Der Innsbrucker Mediziner Peter Willeit forscht in Tirol und England mit Millionen von Daten aus 120 weltweiten Studien, um Erkrankungen besser verstehen zu können.

Zwei Fächer haben Peter Willeit immer schon interessiert: Medizin und Mathematik. Es lag für ihn also nahe, sich ein Forschungsgebiet zu suchen, das beide Leidenschaften vereint. Gefunden hat er es in der Epidemiologie, also in der Erforschung, wann welche Krankheiten auftreten und was sie beeinflusst.

Zuletzt wurde der 30-jährige Innsbrucker Mediziner, der bereits seit vielen Jahren in Cambridge und London arbeitet, von der Österreichischen Ärztekammer ausgezeichnet. Er hatte mit seiner Forschung gezeigt, dass die Messung des sogenannten Lipoprotein(a) im Blut die Voraussage von möglichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei noch gesunden Menschen wesentlich präzisieren kann. Bislang wurden bei Untersuchungen verschiedene Parameter, darunter unter anderem zwei Cholesterinwerte, gemessen, Risikofaktoren wie Rauchen oder Diabetes wurden in die Vorhersage miteinbezogen.

Willeit: „So ähnlich wie beim Wetterbericht liegt man bei der Vorhersage von Erkrankungen meistens richtig, manchmal aber auch falsch. Eine Strategie zur Verbesserung dieser Vorhersage liegt in der Durchführung von weiteren Messungen. Unsere Studie hat gezeigt, dass man durch die zusätzliche Messung von Lipoprotein(a) wesentlich besser vorhersagen kann, wer einmal eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bekommen wird.“ So könne man Entscheidungen für eine Therapie früher treffen oder den Menschen eine Änderung ihres Lebensstils empfehlen.

Im Dienste der Vorsorge

Geforscht hat Peter Willeit in den letzten sechs Jahren in Cambridge und zuletzt am King's College in London, wo er ein vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziertes Projekt leitete. Allerdings stets in enger Vernetzung mit seiner akademischen Heimat, der Medizin-Universität Innsbruck. Seit wenigen Wochen ist Willeit nun Assistenzprofessor für Epidemiologie in Cambridge.

An der Universität Cambridge koordiniert er auch schon seit Längerem die Emerging Risk Factors Collaboration (ERFC). Dies ist eine riesige Ansammlung von Daten aus 120 verschiedenen Studien weltweit, mit rund 2,5 Millionen Teilnehmern. Mithilfe des enormen Datenmaterials lässt sich ausrechnen, welche Risikofaktoren zu welchen Krankheiten führen. Daran fasziniert den Epidemiologen besonders, dass „die komplizierten Berechnungen am Computer einzelnen Menschen helfen können, länger und gesünder zu leben“. Dass also zum Beispiel neue Strategien zur Behandlung oder Vermeidung von Krankheiten aus dem Datenmaterial lukriert werden können.

Und gerade im letztgenannten Bereich ist Willeit damit in Großbritannien an der richtigen Stelle: „Denn worin die Briten ganz besonders gut sind, ist die Primärprävention. Ausgehend von der Einstellung, dass sie am meisten Geld sparen, wenn man Krankheiten von vornherein verhindern kann. Darum gab es auch immer schon sehr viel Forschung in diesem Bereich.“ Neben diesem ausgeprägten Präventionsgedanken in England fasziniert Willeit aber vor allem das vernetzte und internationale Arbeiten an der Universität Cambridge. Seine Kollegen stammen aus allen Teilen der Welt. Für alle Forschungsprojekte gibt es internationale Kooperationspartner.

Aus der Rückkehr nach Österreich wird für den Innsbrucker nun vorläufig nichts. Die Berge, die ihm fehlen, wird er wohl noch eine ganze Weile nur auf Heimaturlaub genießen können. Willeit hat jedoch konkrete Pläne, an der Medizin-Universität Innsbruck ein ähnliches Projekt aufzuziehen wie jenes, das er in Cambridge koordiniert. Eine Art ERFC für einen ganz speziellen Bereich: „Ich möchte ein Koordinationszentrum in Innsbruck etablieren, das Daten von Studien aus der ganzen Welt bündelt. Ziel ist es, die Entwicklung von Gefäßverkalkung besser zu verstehen.“ Ein erfolgreiches Projekt, das von der Universität Frankfurt entwickelt wurde, soll dazu nach Innsbruck geholt und erweitert werden.

Innsbruck ist für Willeit ein idealer Standort für das Projekt. Zumal Neurologen der Medizin-Universität Innsbruck Spezialisten bei der Messung von Verkalkungen in der Halsschlagader und der Durchführung von großen Forschungsprojekten sind. Willeit würde somit seine in England erworbenen Fähigkeiten in Innsbruck sehr gut einbringen können.

Und so sieht es wohl danach aus, als würde Peter Willeit in nächster Zukunft noch wesentlich mehr zwischen dem traditionsreichen Cambridge und der vergleichsweise jungen Medizin-Universität Innsbruck pendeln.

ZUR PERSON

Peter Willeit wuchs in Tirol auf, studierte in Innsbruck von 2003 bis 2009 Humanmedizin und machte dann ein Jahr lang in Cambridge einen Master in Epidemiologie. Daran hängte er von 2010 bis 2013 schließlich noch ein PhD-Studium für Public Health and Primary Care. In dieser Zeit erhielt er zahlreiche Stipendien und Preise. Er ist Autor oder Ko-Autor von knapp 50 wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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