Grüne Fassade statt Klimaanlage

Michael J. Paar sagt, dass er als Designer stets Problemlöser sei und „ein bisschen Weltverbesserer“.
Michael J. Paar sagt, dass er als Designer stets Problemlöser sei und „ein bisschen Weltverbesserer“. Hermann Wakolbinger
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Der Industriedesigner Michael J. Paar nahm Termiten, Präriehunde und Seepocken zum Vorbild: Sein System mit hängenden Gärten erzeugt einen kühlen Luftstrom um das Haus.

Die Idee kam Michael J. Paar während eines Aufenthalts in Berlin. Dort fielen ihm sehr schöne, begrünte Fassaden auf. „Die Vorteile von Pflanzen in der Stadt sind vielfach: Sie binden Feinstaub, produzieren Sauerstoff, haben optische und olfaktorische Vorteile, dämpfen Schall und bieten einen natürlichen Gebäudeschutz“, sagt der Oberösterreicher. Er will begrünte Fassaden nun nutzen, um künstliche Klimaanlagen in Gebäuden überflüssig zu machen. Dass ein Haus, dessen Außenwände von Pflanzen bewachsen sind, drinnen kühler ist, ist logisch: Die Schattenbildung und Verdunstungskälte der Pflanzen wirken effizient gegen die Hitze, die besonders in städtischen Gebieten weiter zunimmt.

„Durch die geschickte Kombination von Architektur und Natur kann ein kontinuierlicher, kühlender Luftstrom rund um das Gebäude erzeugt werden“, sagt Paar. Als Student der Kunstuni Linz, in der Studienrichtung für Industriedesign, interessierte sich Paar nicht nur für die Themen Verstädterung, Klimawandel und Nachhaltigkeit, sondern speziell auch für Mathematik und Bionik, also das Lernen von der Natur für die Technik. „Außerdem bin ich als Designer immer Problemlöser und ein bisschen Weltverbesserer. Daher hat es mich gereizt, wie man auf natürliche Weise Gebäude kühlen kann“, sagt der 33-Jährige.

Gekühlte Tierbauten als Inspiration

Für sein neues Konzept nahm er drei bionische Prinzipien als Vorbild. Die Bauten von Termiten, die im Inneren konstant 30 Grad haben, auch wenn die umgebende Luft bis über 40 Grad Celsius heiß ist. Die Bauten von Präriehunden, die ebenfalls durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem über eine kontinuierliche Luftzirkulation verfügen. „Und Seepockenkolonien. Diese zeigen, wie man Flächen bestmöglich strukturiert“, so Paar. Die sesshaften Meerestiere aus der Gruppe der Krebse wachsen am Untergrund fest und bilden dichteste Besiedelungen, sodass eine Kolonie stets aus der höchstmöglichen Anzahl an Seepocken – sei es auf einem Fels oder einem Schiffsrumpf – besteht. Das Muster des Seepockenwachstums ähnelt stark einem mathematischen Prinzip namens Voronoi-Diagramm, einer Segmentierung von Flächen, die seit über 100 Jahren für verschiedenste Berechnungen genutzt wird. „Das Voronoi-Diagramm und das Anwuchsmuster der Seepocken brachte mich zu der Idee, wie man die Module zur Hinterlüftung an der Fassade anbringen kann“, sagt Paar.

In seiner Dissertation an der Kunstuni Linz, die zudem von Alexander Petutschnigg von der FH Salzburg in Kuchl betreut wird, entwickelte Paar einen Prototyp, der all diese Ideen vereint. „So wie Termiten und Präriehunde einen ständigen Luftstrom durch ihre Bauten hinbekommen, kann auch in meinem System die Luft durch einen Spalt zwischen dem Fassadenaufbau und den Gebäudewänden ständig zirkulieren.“

Das System bewirkt einen natürlichen Kühlkreislauf in dem Hinterlüftungsspalt, um das Gebäude von außen vor Hitze zu bewahren. Im Weiteren kann man die kühle Luft auch in das Gebäude lenken und den Einsatz von künstlichen Kühlsystemen nochmals reduzieren. „Wenn man es ordentlich plant, kommt man ganz ohne Klimaanlage aus“, betont Paar. Der urbane Raum wird immer dichter verbaut, immer mehr versiegelt. Das führt zu Wärmeinseln und steigendem Kühlbedarf. „Mit dem naturnahen System wird auch der CO2-Ausstoß verringert.“

Nach Testläufen in kleinem Maßstab ist der Prototyp der Kühlfassade nun fertig. Derzeit aus Metall, doch Paar will es in Zukunft aus nachhaltigem Faserbeton herstellen. Da er während der Dissertation stets an Projekten und Forschungsaufgaben in enger Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen gearbeitet hat, will Paar auch nach Abschluss des Doktorats in der Wirtschaft bleiben und Forschungsprojekte durchführen. „Gern in meiner Region hier in Oberösterreich, das derzeit mein Lebensmittelpunkt ist.“

Auslandssemester in China

Schließlich hat er schon einige Zeit in Deutschland und Amerika gelebt und während des Masterstudiums auch ein Semester in China verbracht. „Die Zeit an der Universität in Guangzhou war toll: An dem Riesencampus hat man viele spannende Leute kennengelernt, ich konnte für chinesische Firmen Produkte designen und bin sicherlich weltoffener geworden.“ Doch jetzt lebt Paar wieder gern in Österreich, wo er seit Neuestem auch das Fliegenfischen als Hobby betreibt. „Ich war immer schon unglaublich gern in der Natur, radfahren oder laufen. Aber beim Fischen kann man die Ruhe im Grünen noch intensiver genießen.“

ZUR PERSON

Michael J. Paar wurde 1983 in Wels geboren und studierte an der Kunstuniversität Linz Industriedesign. Nach einem Auslandssemester in China, an der Universität in Guangzhou, und Aufenthalten in Deutschland und Amerika hat er nun seine Dissertation an der Kunstuni Linz und der FH Salzburg verfasst. Mit einem mathematisch-bionischen Konzept für eine Kühlfassade will Paar herkömmliche Klimaanlagen einsparen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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