Ein Schiedsrichter, der Krebs bekämpft

Christian Posch
Christian Posch (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Dermatologe Christian Posch versucht, Hautkrebs gezielt anzugreifen. Er forscht an Molekülen, die nur Tumorzellen töten und gesunde Zellen möglichst in Ruhe lassen.

Ich vermisse in Österreich den Spirit aus den USA, das Gefühl, dass alles möglich ist“, sagt Christian Posch, Krebsforscher an der Rudolfstiftung in Wien. Der Mediziner kehrte heuer nach fünf Jahren in den USA nach Österreich zurück. „Wenn ich in Amerika eine gute Idee habe und sie in einen ordentlichen Plan packe, ist es möglich, viel Geld in kurzer Zeit dafür aufzustellen. In Österreich ist das schwieriger“, erklärt Posch. Hier sei die Angst vor dem Scheitern groß. In den USA gilt man nach einem missglückten Versuch nicht als Loser. „Dort heißt es, dass man beim zweiten Versuch nicht die gleichen Fehler machen wird und daher noch besser gerüstet ist“, sagt Posch. Mit Fehlern und Fouls beschäftigt er sich stark in seiner Freizeit: Posch war lang Handballspieler und ist nun als Schiedsrichter sowohl in der österreichischen Handballliga als auch bei Großveranstaltungen weltweit im Einsatz.

Ursprünglich wollte er aber Cellist werden. Als 16-Jähriger inskribierte er am Konservatorium, um das Konzertfach Cello zu studieren. „Nach vier Jahren bin ich zum Medizinstudium übergelaufen“, erzählt Posch. Ihm gefiel die Mischung aus klinischer Tätigkeit und Forschung: An der Abteilung für Dermatologie der Krankenanstalt Rudolfstiftung fand er eine Stelle zur Facharztausbildung. „Mir war früh klar, dass ich auch im Ausland arbeiten will, um mich wissenschaftlich weiterzuentwickeln“, sagt Posch. Als an der University of California in San Francisco (UCSF) eine Medizinerin aus Wien ein eigenes Labor gründete, in dem genetische Hintergründe von Hautkrebs erforscht werden sollten, konnte Posch eine Forschungsstelle ergattern.

Zielgerichtete Therapie für Melanome

Der Alltag in der Klinik fiel weg, nun konzentrierte er sich auf Zellen in Laborschälchen und Untersuchungen von Mäusen, die in der Forschung als Krebsmodell dienen. Sein Spezialgebiet wurde eine bestimmte Form des schwarzen Hautkrebs: Melanome, die durch eine Mutation im NRAS-Gen auftreten. „Diese Form betrifft ,nur‘ 20 Prozent aller Melanome, daher wurde sie in der Forschung eher stiefmütterlich behandelt“, sagt Posch. Die meisten Krebsforscher fokussierten bisher auf Melanome, die durch eine BRAF-Mutation entstehen – sie betreffen bis zu 50 Prozent der Hautkrebspatienten.

Für diese häufigste Form des schwarzen Hautkrebses wurde inzwischen eine Therapie entwickelt, die das schadhafte BRAF-Protein blockiert. „Man dachte, das muss für die NRAS-Mutation doch auch klappen“, so Posch. Doch genau diese Möglichkeit ließ sich bis zum heutigen Tag nicht umsetzen.

Posch und sein Team fanden schlussendlich einen Weg, NRAS-mutierte Zellen zu hemmen: Sie blockierten Proteine, die durch NRAS erst aktiviert werden. „Im Labor und im Mausmodell hat die Therapie sehr gut gewirkt“, sagt Posch. Doch erste Studien mit Patienten in San Francisco zeigten zu viele Nebenwirkungen. Es wurden anscheinend auch andere wichtige Proteine im Körper gehemmt. „Aber wir versuchen nun, diese Therapie zu verbessern, gezielter zu machen und Nebenwirkungen zu verringern.“

Zielgerichtete Therapie, das ist das Schlagwort der Krebsbehandlung, die exakt an der Tumorzelle angreift und gesunde Zellen in Ruhe lässt. Nach drei Jahren in San Francisco zog Posch nach Boston, um an der Harvard University die zielgerichtete Therapie in Kombination mit der derzeit boomenden Immuntherapie zu erforschen. Er zeigte erstmals, dass Melanomzellen selbst bestimmte Rezeptoren besitzen, an denen die Antikörper der Immuntherapie ansetzen, um den Tumor direkt zu hemmen – ohne den Umweg über aktivierte Immunzellen.

Wissenschaft macht er in der Freizeit

„Und im Jänner bin ich zurück nach Wien gegangen, um meine Facharztausbildung in der Rudolfstiftung abzuschließen“, sagt Posch. „Ich arbeite sehr gern mit Patienten, aber es lässt kaum Platz für Grundlagenforschung. Bisher mache ich alles Wissenschaftliche in meiner Freizeit.“ Beispielweise konnte er nicht alle Vorträge beim Weltkongress über Hautkrebs in der Wiener Hofburg Anfang September hören: „In den USA hätte ich freibekommen, die Wissenschaft ist eben flexibler als der Klinikalltag.“

Das war einer der Kulturschocks, die Posch bei der Heimkehr widerfuhren. „Natürlich genieße ich in Wien die gute Luft, die Kultur, das gute Wasser und Essen. Wien ist eine großartige Stadt, aber bei uns fehlt ein positiver Zugang zu Leistung.“ Darum denkt Posch auch, dass viele schlaue Köpfe über kurz oder lang ins Ausland gehen werden, wenn sich die Grundbedingungen für medizinische Forschung hier nicht ändern.

ZUR PERSON

Christian Posch wurde 1981 in Wien geboren und studierte in Wien zuerst Cello als Konzertfach. Dann absolvierte er das Medizinstudium in Wien und ging in die USA an renommierte Forschungsinstitute in San Francisco und Boston. Nun kehrte der Krebsforscher zurück an die Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien, wo er derzeit bei Klemens Rappersberger die Facharztausbildung der Dermatologie abschließt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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