Zellulärer Lauschangriff

(c) Vanessa Weingartner
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Die Immunologin Patrizia Stoitzner will die Kommunikation von Immunzellen und Tumorzellen entschlüsseln: Dies könnte ein Ansatz im Kampf gegen Hautkrebs sein.

"Die Haut hat mich als Organ schon immer fasziniert“, sagt Patrizia Stoitzner. Die Vorarlbergerin leitet eine Forschungsgruppe an der Dermatologie der Med-Uni Innsbruck. „Die Haut ist einerseits unsere Barriere zur Außenwelt, aber zugleich hochaktiv in immunologischer Hinsicht“, sagt Stoitzner. Die ersten Immunzellen, die mit fremden Eindringlingen in Kontakt kommen, sind dendritische Zellen. Sie sitzen in der Haut und fangen Keime ein.

Während ihrer Diplomarbeit an der Uni Innsbruck untersuchte Stoitzner, wie die Wanderung der dendritischen Zellen in Richtung Lymphknoten funktioniert. Denn sobald eine dendritische Zelle einen Eindringling fängt, bringt sie ihn wie in einem Taxi zu den Lymphknoten, um weitere Schritte der Immunantwort in Gang zu setzen. Stoitzners Aufnahmen mit dem Elektronenmikroskop dokumentierten diese Zellwanderung im Detail. Ihr Betreuer war damals schon der Vorarlberger Immunologe Nikolaus Romani, bei ihm schrieb Stoitzner auch die Doktorarbeit. Wieder waren die dendritischen Zellen im Fokus, diesmal sollten die verschiedenen Subtypen genauer erforscht werden.

Langerhans-Zellen für Krebstherapie

Eine Untergruppe wird Langerhans-Zellen genannt – die Namensgleichheit mit den Langerhans'schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse führt bei Laien zu Verwirrung. Der Entdecker der Langerhans-Zellen in der Haut und der Langerhans'schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse war ein und derselbe Mann, nämlich der deutsche Pathologe Paul Langerhans im 19. Jahrhundert. 150 Jahre später zeigt sich, dass die von ihm entdeckten – damals noch für Nervenzellen gehaltenen – Immunzellen heute ein Ansatz für die Krebstherapie sein können.

„Die Immuntherapie für Krebs ist sehr vielversprechend“, sagt Stoitzner. Weltweit wird daran geforscht, wie man Antikörper nutzen kann, um das Immunsystem gegen Krebs aufzurüsten. „Bisher helfen Immuntherapien bei 20 bis 60 Prozent der Patienten, abhängig von der Art der Krebserkrankung. Unsere Forschung versucht über den Ansatz der dendritischen Zellen, eine Kombination mit der bestehenden Immuntherapie zu schaffen, um noch mehr Patienten helfen zu können.“ Das ist noch reinste Grundlagenforschung, denn die Kommunikation zwischen Tumorzellen und den dendritischen Zellen muss erst verstanden werden. Jeder Subtyp reagiert unterschiedlich, hat unterschiedliche Funktionen.

Und die Krebsarten, die in der Haut vorkommen, Melanom (schwarzer Hautkrebs) und Basalzell- und Plattenepithelkarzinom (weißer Hautkrebs), nutzen unterschiedliche Mechanismen, um das Immunsystem auszutricksen. All diese Kommunikation will Stoitzners Team nun entschlüsseln. Ein Lauschangriff auf zellulärer Ebene sozusagen, mit dem Ziel, eine Medizin zu finden, die den dendritischen Zellen hilft, gegen Tumorzellen gezielt vorzugehen. Denn der Grund, warum Hautkrebs überhaupt erst wachsen kann, ist, dass die Tumorzellen Tricks finden, mit denen sie dendritische Zellen zum Schweigen bringen und so verhindern, dass die entartete Zelle gefunden und zum Lymphknoten transportiert wird.

Die Idee zu diesem Forschungsziel kam Stoitzner während ihres Forschungsaufenthaltes in Wellington, Neuseeland. Über zwei Jahre lebte sie dort mit Hilfe eines Erwin-Schrödinger-Stipendiums des Wissenschaftsfonds FWF, gemeinsam mit ihrem Mann, der als Architekt den Auslandsaufenthalt auch nutzen konnte. „Das Malaghan Institute of Medical Research liegt mitten im Campus der Victoria University. Ich konnte dort in alle Forschungsgruppen hineinschnuppern und habe sehr viel gelernt. Auch der Austausch mit vielen Doktoratsstudenten hat mich inspiriert“, sagt Stoitzner.

Amikaler Umgang wie in Neuseeland

Auch hier an der Med-Uni Innsbruck versucht sie jetzt Doktoranden für ihr Fach zu gewinnen, wenn sie in Praktika ambitionierte Studenten kennenlernt. Den offenen, amikalen Umgang, der in Neuseeland üblich ist, pflegt Stoitzner nun in ihrer Heimat.

Sie wollte nie lange im Labor fehlen, auch nach der Babypause vor fünf Jahren kehrte sie gern zur Forschung zurück. „Die Medizinische Universität Innsbruck hat beim Wiedereinstieg sehr geholfen, etwa auch Kosten für Kinderbetreuung übernommen“, betont Stoitzner, die weiß, dass Kind und Karriere in der Forschung nicht selbstverständlich sind. „Die Wochenenden gehören jetzt ganz der Familie, für Sport ist zwar nicht mehr viel Zeit, aber wenn ich den Kopf frei bekommen will, gehe ich gern laufen.“

ZUR PERSON

Patrizia Stoitzner wurde 1972 in Feldkirch geboren und studierte an der Uni Innsbruck Biologie. Schon früh hat sie sich „in die Immunologie verliebt“ und eine Karriere in medizinischer Forschung gestartet. Während des Doktorats sammelte sie Erfahrungen in Deutschland und Wien. Als PostDoc forschte sie in Neuseeland. Seit 2007 ist sie zurück in Innsbruck und leitet an der Medizinischen Universität das Labor für Langerhanszellforschung.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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