Wann ist ein Fünfer ein Fünfer?

(c) Helmut Lunghammer
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Der Jurist Martin Kremser legt ein umfassendes Handbuch vor, in dem alles über die Beurteilung von Leistung in Österreichs Schulen steht. Er kennt die Probleme aus der Praxis gut.

Das Thema betrifft jeden von uns: Sei es, weil man selbst Schüler ist oder schulpflichtige Kinder hat, oder weil einen Albträume von Schularbeiten plagen. Martin Kremser hat sich dem emotionalen Thema von der juristischen Seite genähert. In seiner Dissertation „Leistungsbeurteilung im österreichischen Schulrecht“ an der Uni Graz verfasste er ein Handbuch, in dem Probleme und Unklarheiten, zu denen es im Zuge der Beurteilung von schulischer Leistung kommen kann, klar verständlich aus rechtlicher Sicht aufgearbeitet werden.

Das beginnt mit der Frage: Ist eine Note ein Gutachten oder ein Bescheid? „Nach rechtlicher Lage ist eine Note ein verkürztes Gutachten“, sagt Kremser. Er ist hauptberuflich Jurist im Landesschulrat Steiermark und hat berufsbegleitend diese Dissertation geschrieben. Heimlich. Nur seine Frau war in den Plan eingeweiht, die erste wissenschaftliche Monografie über die österreichische Leistungsbeurteilung zu schreiben.

„Ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffe. Immerhin haben wir zu der Zeit Haus gebaut und später war meine Tochter unterwegs“, verrät Kremser, der im Büro und im Familien- und Freundeskreis alle im Oktober mit dem Promotionsbescheid überraschte. Das Ergebnis seiner Recherche wird im Frühjahr 2017 im Wiener NWV-Verlag erscheinen. „Alle Nicht-Juristen, die darin gelesen haben, sagten, es ist leicht verständlich.“

Mitarbeit gehört zur Note

Kremser arbeitete für dieses Werk die „Bibel des Schulrechts“ durch, „Das österreichische Schulrecht“ von Jonak und Kövesi sowie Beiträge aus den Zeitschriften „Recht der Schule“ und „Schule und Recht“. Weiters analysierte er Entscheidungen des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofs.

„Durch meine berufliche Tätigkeit kenne ich viele Probleme, die immer wieder auftreten“, sagt Kremser. Was fällt in den Bereich der Leistungsbeurteilung? „Alles, was man selbst aus der Schulzeit kennt: mündliche Prüfungen, Tests, Schularbeiten. Auch die Mitarbeit ist als Teil der Beurteilung konzipiert. Aber wie stellen Lehrer die Mitarbeit der Schüler objektiv fest?“, fragt Kremser. In der Praxis orientiert sich das Lehrpersonal oft an Noten der Tests und Schularbeiten, doch vom Gesetzgeber her hat die Mitarbeit im Unterricht einen hohen Stellenwert.
„Ich verstehe, dass es schwierig ist, Schülern und Eltern verständlich zu machen, wie man Mitarbeit feststellt und beurteilt.“

"Bin kein Pädagoge"

Überhaupt betont Kremser, dass seine Arbeit nicht auf pädagogische Erkenntnisse abzielt: „Ich bin kein Pädagoge, sondern habe untersucht, welche Dinge aus rechtlicher Sicht zulässig sind und welche nicht.“
So erteilt Kremser etwa Gruppenschularbeiten eine juristische Absage, genauso wie dem Trend, dass alle Klassen einer Schulstufe in derselben Stunde Schularbeit schreiben, mit denselben Aufgaben. „Klassen haben meist einen anderen Stand des Unterrichts, sogar, wenn zwei Klassen den gleichen Lehrer haben: Rechtlich ist es nicht vertretbar, bei verschiedenem Stand des Unterrichts dieselben Schularbeiten zu geben.“

Auch für Feststellungsprüfungen, die ein Schüler, der unfreiwillig lange gefehlt hat, oder „gezielt gefehlt, also geschwänzt“ hat, absolvieren muss, erklärt Kremser: „Es gibt im Regelfall keine rechtliche Vorgabe, wie viel Prozent der Zeit ein Schüler anwesend sein muss, um beurteilt werden zu können. Ich habe mir angeschaut, was der Lehrstoff sein muss, und wann und wie Feststellungsprüfungen stattfinden sollen.“
Auch zur Paragraf-Fünf-Prüfung findet Kremser klare Worte: „Sie wird meistens als Entscheidungsprüfung zwischen vier und fünf bezeichnet. Doch das sind Wunschprüfungen, die nie Entscheidungsprüfungen waren und nie sein werden.“

Siebenteilige Notenskala nicht haltbar

Und wie sieht es mit der siebenteiligen Notenskala aus, die in der dritten und vierten Klasse der Neuen Mittelschulen eingeführt wurde? „Aus rechtlicher Sicht nicht haltbar, weil es zu Problemen etwa bei der Beurteilung der Wiederholungsprüfungen kommen kann.“ Auch die Frage, ab wann man überhaupt Tests und Schularbeiten mit Genügend oder Nicht genügend beurteilt, ist nicht prozentuell vorgegeben: Ob man mit 50 oder 60 Prozent der abgefragten Leistung einen Vierer bekommt, liegt an der Aufgabenstellung.

Dass Kremser neben Beruf, Dissertation, Hausbau und Familiengründung noch Freizeit hatte, ist kaum zu glauben. Doch der junge Steirer singt regelmäßig in einem Chor und ist in der freiwilligen Feuerwehr Untergralla aktiv. „Mein Wecker klingelt um 4.40 Uhr und ab 5.30 Uhr bin ich meistens im Büro, damit ich nachmittags bei meiner Familie sein kann.“

Zur Person

Martin Kremser wurde 1980 in Schladming geboren und studierte an der Uni Graz Rechtswissenschaft. Ein Semester war er an der Law School der University of Oklahoma in den USA. Nun verfasste der Jurist, der im Landesschulrat Steiermark arbeitet – unter Betreuung von Vorstand Bernd Wieser am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Uni Graz– ein Handbuch zur Leistungsbeurteilung in österreichischen Schulen.

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