Krebszellen den Weg abschneiden

Der Molekularbiologe Wolfgang Gruber hat entdeckt, dass man mit einem Protein die Verbreitung von Krebsstammzellen stoppen kann. Es blockiert einen Signalweg.

In der Schule fand Wolfgang Gruber den Biologieunterricht in den ersten Jahren ziemlich langweilig. Tiere und Pflanzen interessierten den Salzburger nicht besonders. Aber als dann in der siebten und achten Klasse Gymnasium die Genetik auf dem Lehrplan stand, fing er Feuer für den strukturellen Aufbau der Natur. Er entdeckte sein Faible für die Molekularbiologie, eine Leidenschaft, die ihn bis heute nicht mehr losgelassen hat.

Mittlerweile ist der junge Forscher, der an der Universität Salzburg nach seiner Dissertation eine Anstellung als Senior Scientist erhalten hat, tief in die Mechanismen eingedrungen, die bei der Entstehung von Krebs ablaufen. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat er eine Möglichkeit entdeckt, um den gefährlichen Krebsstammzellen den Weg abzuschneiden: Er hat herausgefunden, dass durch die Blockade eines bestimmten Proteins der Signalweg in den Krebsstammzellen unterbrochen und die weitere Vermehrung dadurch verhindert wird. Für diese Entdeckung ist der 30-jährige Salzburger kürzlich mit dem Dissertationspreis der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) ausgezeichnet worden. Das Verfahren, das er im Rahmen der Arbeitsgruppe des Stammzellenforschers Fritz Aberger gemeinsam mit dem deutschen Biotechnologieunternehmen 4SC entwickelt hat, wurde mittlerweile zum Patent angemeldet.

Stammzellen als Baustein der Krankheit

„Krebs ist keine homogene Masse, sondern ein sehr komplexes Geschehen. Ein Tumor ist sehr unterschiedlich aufgebaut“, erläutert Gruber. Ein Baustein sind Krebsstammzellen. Sie sind so etwas wie die Wurzel des Tumors. Es reichen ganz wenige, um großen Schaden im Körper anzurichten. Die Krebsstammzellen teilen sich langsam, aber unendlich oft. Sie sind schlecht nachweisbar, können jahrelang schlummern, um dann ihr gefährliches Werk im Körper zu beginnen und sich über ihre „Nachkommen“ als Tumormasse auszubreiten.

„Die Stammzellen machen oft nur ein Prozent der gesamten Tumormasse aus“, berichtet der Molekularbiologe: „Krebsstammzellen sind weitgehend resistent gegenüber Chemotherapie oder Strahlentherapie“, nennt Gruber einen weiteren Grund, warum es so wichtig ist, eine Möglichkeit zu finden, um sie auszuschalten. Wenn nach einer Therapie wenige Krebsstammzellen im Körper verbleiben, kann der Tumor rasch und umso heftiger wieder aufflammen.

Eine Voraussetzung, damit sich die Stammzellen überhaupt teilen können, ist, dass bestimmte Signalwege in den Zellen aktiv sind. Bei den Krebsstammzellen ist dabei der sogenannte Hedgehog-Signalweg von zentraler Bedeutung. Gruber hat entdeckt, dass im Hedgehog-Signalweg ein bestimmtest Protein (DYRK1B) eine zentrale Rolle spielt. Er konnte zeigen, dass man das Protein blockieren und damit den Signalweg unterbrechen kann.

„Mit dieser Methode lässt sich die Aktivität der Krebsstammzellen quasi abschalten“, berichtet der Molekularbiologe, der mit seiner Arbeit Teil des interdisziplinären Netzwerks Cancer Cluster Salzburg (CCS) ist, das 2015 vom Krebsmediziner Richard Greil und vom Krebsstammzellforscher Fritz Aberger gegründet wurde.

Dass DYRK1B die Krebsstammzellen blockiert, ließ sich bisher in Zellkulturen und im Mausmodell zeigen. Der nächste Schritt auf dem Weg zu einem neuen Krebsmedikament ist eine klinische Studie, erklärt Gruber: „Unsere Modelle waren bei Bauchspeicheldrüsenkrebs sehr erfolgreich.“ Die Hoffnung ist groß, dass die Methode auch bei anderen Krebsarten funktioniert.

Mechanismus noch besser verstehen

Für den 30-Jährigen ist damit das Forschungsfeld aber noch lange nicht abgeschlossen. „Wir wollen den Mechanismus des Signalwegs noch besser verstehen“, sagt er über seine weitere Arbeit. Spannend ist die Frage, wie sich eine Zelle selbst kontrolliert und wie ein Signalweg mit anderen interagiert. Viele Parallelen ortet Gruber bei der embryonalen Entwicklung und beim Krebsgeschehen: „Der Signalweg ist in den erwachsenen Zellen meist ausgeschaltet, bei Krebszellen ist er aktiv.“

Warum das so ist, ist eine weitere spannende Frage, die irgendwann in die Habilitation des Salzburger Krebsstammzellenexperten einfließen könnte. Dass er in der Forschung bleiben und sich irgendwann habilitieren will, ist für Gruber klar. Auch die Lehre macht ihm Spaß – besonders dann, wenn er Studierende hat, die wie er vor Neugierde für die Molekularbiologie brennen.

ZUR PERSON

Wolfgang Gruber wurde 1986 in Salzburg geboren. Nach der Matura am Gymnasium der Herz-Jesu-Missionare studierte er Molekulare Biologie an der Universität Salzburg. Im Jahr 2013 promovierte er über die Blockade von Krebsstammzellen durch das Protein DYRK1B. Für seine Dissertation erhielt er den ÖGMBT-Dissertationspreis 2016. Seit 2013 ist Gruber als Senior Scientist an der Uni Salzburg angestellt.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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