Kreative Bilder der Zellteilung

Beata Mierzwa designte das Kleid – hier am Wissenschaftsball 2017 – selbst: Es stellt die spiralförmige Proteinmaschine dar, an der sie forscht.
Beata Mierzwa designte das Kleid – hier am Wissenschaftsball 2017 – selbst: Es stellt die spiralförmige Proteinmaschine dar, an der sie forscht.(c) Matthew Cooney
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Die Molekularbiologin Beata Mierzwa entdeckte, wie dynamisch eine Proteinmaschine bei der Zellteilung arbeitet. Inzwischen ist sie für die Wissenschaft auch künstlerisch tätig.

„Meine Familie hat gesagt, wenn das Kind etwas Gescheites lernen will, ist Österreich ein guter Ort dafür“, erzählt Beata Mierzwa, die in einem kleinen Dorf in Polen zur Welt gekommen ist. Ihre Eltern zogen mit ihr nach Wien, als sie drei Jahre alt war. Das mit dem Studium hat dann gut geklappt: Am Biozentrum in der Dr.-Bohr-Gasse studierte Mierzwa Molekulare Biologie. Doch es zog sie stets ins Ausland, um neue Perspektiven zu erleben.

„Während meiner Diplomarbeit ging ich für die Forschungen an die ETH Zürich und habe circa ein Jahr dort gelebt“, sagt Mierzwa. So kam sie mit der Zellteilung in Berührung, die sie bis heute fasziniert. „Ich habe im Studium viele Praktika gemacht, auch im Ausland und an verschiedenen Instituten in Wien, um neue Methoden und Themen zu erkunden“, berichtet sie. Und die Begeisterung sprang bei der Zellteilung so richtig über. Auch das Team um Daniel Gerlich an der ETH Zürich trug dazu bei. „Als ich später erfahren habe, dass mein Lieblingslabor an mein Lieblingsinstitut in Wien umzieht, habe ich mich so gefreut und bin auch wieder nach Wien gekommen, um meinen PhD zu machen“, sagt Mierzwa, die somit am IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie) der Akademie der Wissenschaften Fuß fasste.

Wie Legomännchen die Spirale bauen

In der Diplomarbeit hatte sie noch Micro-RNA im Fokus, das sind kleine Moleküle, die aus der DNA entstehen und die Genaktivität regulieren. „Wir haben an menschlichen Krebszellen gearbeitet, weil die gut zu handhaben sind und sich häufig teilen. Die Frage war, welche Micro-RNA-Moleküle die Zellteilung beeinflussen“, sagt Mierzwa.

In der Dissertation ging es weiter ins Detail mit der Frage, was im allerletzten Schritt der Zellteilung passiert: „Wenn die DNA sich schon getrennt hat, alles auf die zwei Tochterzellen aufgeteilt wurde, dann bleibt eine dünne Brücke zwischen den sich trennenden Zellen: ein Membranschlauch, der schlussendlich abgetrennt werden muss“, sagt Mierzwa. Das Team am IMBA erkannte, wie dynamisch die dahintersteckende Proteinmaschine ist. „Es handelt sich um Proteinbausteine, die eine Spirale bilden, die sich immer weiter einschnürt, bis die Zellen abgenabelt sind“, erklärt Mierzwa. Diese ESCRT-III-Maschinerie ist bei ganz unterschiedlichen Prozessen beteiligt, in denen Membran abgeschnürt werden muss, etwa um ein Loch in einer Zellhülle zu schließen oder Proteine für den Abbau zu sortieren.

In Laborversuchen konnte Mierzwa zeigen, dass diese Spirale nicht eine starre Form besitzt, bei der alle Bausteine ihren fixen Platz haben, sondern dass die Bausteine ständig umgeschichtet werden. Andauernd werden die Proteinbauklötze an einer Stelle herausgenommen und woanders eingefügt: Die Hauptarbeit macht ein Enzym namens VPS4, das bisher nur beim Abbau von den Spiralen bekannt war.

Während den Forschungsarbeiten entdeckte Mierzwa auch ihr künstlerisches Talent: Sie begann so komplexe Vorgänge in einfache Zeichnungen zu übertragen. In ihrer Illustration arbeiten drei kleine Legofiguren fleißig an der großen Spirale und fügen grüne und blaue Legosteine hinzu. „Ich habe einfach in der Nacht zu zeichnen begonnen. Inzwischen fragen mich viele, wenn sie Illustrationen für ihre wissenschaftlichen Ergebnisse brauchen“, sagt Mierzwa. Auf der Homepage www.beatascienceart.com präsentiert sie ihre Kunstwerke, die unter anderem schon das Cover des Magazins „Nature Methods“ zierten. Auch in das Design von Schals und Kleidern hat sie inzwischen hineingeschnuppert. Das Kleid für den Wissenschaftsball 2017 im Wiener Rathaus hat sie selbst entworfen: Es stellt die spiralförmige Maschine der Zellabnabelung dar.

Seit Juni 2017 lebt Mierzwa in San Diego, wo sie als PostDoc am Ludwig Institute for Cancer Research forscht. Wieder an der Zellteilung, doch diesmal mit der globaleren Frage, wie sich die Maschinerie an völlig unterschiedliche Bedingungen anpassen kann, die an den verschiedenen Stellen eines Körpers herrschen.

Das Leben in den USA gefällt ihr ausgezeichnet. „Hier muss man nicht auf Nummer sicher gehen, sondern kann alles versuchen. Es ist spannend, so viele Freiheiten in einem Projekt zu haben“, sagt sie.

ZUR PERSON

Beata Mierzwa wurde 1987 in Rabka, Polen, geboren und studierte Molekulare Biologie an der Uni Wien. Nach Forschungsstationen an der ETH Zürich und am Marine Biological Laboratory in Woods Hole, Massachusetts, lebt Mierzwa seit Juni 2017 in San Diego, Kalifornien. In der Gruppe von Karen Oegema und Arshad Desai forscht sie als PostDoc am Ludwig Institute for Cancer Research an Mechanismen der Zellteilung.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2017)

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