Im Kosmos liegt vieles im Dunklen

Himmelsbeobachtungen brachten ihr die Disziplin näher. Dabei hätte sie sich einst in Astronomie und Physik verliebt, erzählt Suchita Kulkarni.
Himmelsbeobachtungen brachten ihr die Disziplin näher. Dabei hätte sie sich einst in Astronomie und Physik verliebt, erzählt Suchita Kulkarni.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Die Physikerin Suchita Kulkarni erforscht am Institut für Hochenergiephysik in Wien, aus welchen Elementarteilchen dunkle Materie bestehen könnte.

„Das Interessante an dunkler Materie ist, dass wir schon so lange erfolglos danach suchen“, sagt Suchita Kulkarni. „Die erste Hypothese ist nun auch schon 80 Jahre alt. Seither suchen wir aktiv nach einer Erklärung für dunkle Materie. Es stellt sich die Frage: Was übersehen wir?“

Das Konzept der dunklen Materie ist ein Lösungsansatz für einige große Unstimmigkeiten in unserem Bild des Universums: In unserem Sonnensystem, das wir sehr gut kennen, ist die Sonne das bei Weitem schwerste Objekt. Es wäre naheliegend, dass auch im Rest des Universums die Sterne den Großteil der Masse besitzen. Doch das hat sich als falsch erwiesen: Wären Galaxien nur aus dem aufgebaut, was wir sehen, müssten sie aufgrund der Fliehkräfte auseinanderbrechen. Die sichtbare Materie – Sterne, Planeten, Nebel, dazu bekannte Elementarteilchen wie Photonen und Neutrinos – macht nur etwa 20 Prozent aus. „Anhand der Gravitation wissen wir also, dass dunkle Materie existiert, aber wir verstehen ihre Natur nicht“, sagt Kulkarni. „Meine Forschungsarbeit dreht sich um die Frage, aus welchen Teilchen dunkle Materie bestehen könnte – welche Masse haben sie und wie wechselwirken sie mit der sichtbaren Materie, aus der wir alle bestehen?“

Neue Antworten zu Schwarzen Löchern

Die Theoretikerin arbeitet hier eng mit Forschungsgruppen am Large Hadron Collider, kurz LHC, dem leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger der Welt am Kernforschungszentrum Cern bei Genf, zusammen. Sie ist Mitglied des CMS-Teams. CMS ist einer der beiden Detektoren, mit denen vor etwa sechs Jahren der Nachweis des Higgs-Teilchens gelang. „Am LHC haben wir so hohe Energien, dass wir hoffen, neue, schwere Teilchen zu erzeugen, die auch das Phänomen der dunklen Materie erklären könnten“, sagt sie. Kulkarni gibt zu, dass durchaus Zweifel bestehen, ob dunkle Materie überhaupt aus Elementarteilchen aufgebaut ist: „Es gibt da eine andere Argumentationslinie, die fragt: Was, wenn die Gravitationstheorie adaptiert werden muss? Was, wenn es Schwarze Löcher aus der Anfangszeit des Universums gibt?“ Kulkarni hofft, dass es vor allem für die Frage nach Schwarzen Löchern bald neue Antworten gibt, die von den Gravitationswellen-Experimenten wie Ligo kommen.

Große Hoffnungen setzt Kulkarni aber in die nächsten Messungen am LHC: „Es kommt nun eine Phase mit besonders vielen Kollisionen. Das ist eine völlig neue Ära, in der man Zugang zu neuer Physik bekommt.“ Sie unterstützt die CMS-Kollaboration bei der Vorbereitung darauf. Daneben setzt sie sich für die Veröffentlichung der LHC-Daten ein. Ein Teil ist jetzt schon öffentlich zugänglich, in Zukunft sollen alle experimentellen Daten des CMS-Detektors für Interessierte verfügbar sein. „Jeder soll daran arbeiten können, von Studierenden bis zum Experten. Dazu braucht es nicht mehr als viel Geduld, viel Hartnäckigkeit und natürlich Einsicht.“

Suchita Kulkarni hat an der Universität Mumbai (Bombay) studiert. Im Rahmen eines Stipendiums kam sie nach Deutschland, um dort ihre Dissertation zu schreiben. „Ich wollte immer Kosmologie und Teilchenphysik miteinander verbinden“, sagt Kulkarni. Es sei ein großes Glück gewesen, in Bonn eine Anstellung zu bekommen, wo sie im Bereich der dunklen Materie forschen konnte. Zur Physik kam sie über Freunde in ihrer Heimatstadt Mumbai. „In die Naturwissenschaft wollte ich immer schon, aber ursprünglich wollte ich Biologin werden.“ Es seien Himmelsbeobachtungen gewesen, die sie zur Physik gebracht hätten: „Wir waren etwa zehn junge Leute mit ähnlichen Interessen, die sich regelmäßig trafen, um draußen zu zelten und die Sterne zu beobachten. Da verliebte ich mich in Astronomie und Physik“, sagt Kulkarni, die betont, wie eng diese beiden Bereiche inzwischen miteinander verwoben seien.

Abseits der Physik beschäftigt sie sich mit Fotografie und ihren beiden Katzen. Dazu kommen politische Interessen: Die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft ist ihr ein großes Anliegen, „in der Wissenschaft, aber auch darüber hinaus“. Kulkarni lobt Anstrengungen, die in Österreich unternommen werden: „Frauen sollen motiviert werden, in die Wissenschaft zu gehen, aber auch bis in Führungspositionen.“

ZUR PERSON

Suchita Kulkarni (34) stammt aus Mumbai, Indien, wo sie Physik studierte. Danach ging sie an die Universität Bonn und verfasste in der Gruppe von Manuel Drees ihre Dissertation zu Dunkler Materie. Nach einer Anstellung in Grenoble kam sie ans Wiener Institut für Hochenergiephysik (Hephy) der Akademie der Wissenschaften, wo sie seither mit einem Elise-Richter-Stipendium des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF forscht.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.