Begriffe der Wissenschaft

Wie man durch Zukunftsforschung Innovationen befördern kann, wurde beim Innovationskongress in Villach thematisiert.

Innovativ sein will jeder – jede Organisation, jede, jeder aufgeweckte Mitarbeiter. Und viele glauben auch, dass sie es sind. In der Praxis verharren die meisten aber in einer „Komfortzone“. Denn: „Innovation ist in der Regel eine Störgröße“, sagte Siemens-Experte Ulf Pillkahn beim Innovationskongress in Villach, zu dem Ende dieser Woche rund 1200 „Innovationsfreunde“, so Organisator Peter Granig (FH Kärnten), anreisten.

Pillkahn nannte insbesondere zwei Effekte, die ein Ausbrechen aus der Komfortzone verhindern. Erstens den Dornröschen-Effekt: Organisationen orientieren sich an Bewährtem und versäumen es, Veränderungen in ihrer Umwelt wahrzunehmen und sich anzupassen – sie verschlafen quasi Verschiebungen auf der Nachfrageseite. Der zweite Effekt – der Red-Queen-Effekt – ist ebenfalls nach einem Märchen benannt: In Lewis Carrolls' „Alice hinter den Spiegeln“ erklärt die Rote Königin: „Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.“ Erfolg mache träge, wenn man sich mit Bestehendem zufriedengibt, dann sei man nicht mehr in der Lage, Innovationen zu „pushen“, so Pillkahn. Beide Effekte sind übrigens Ausprägungen einer alten Weisheit: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Wie kommt man nun aus einer Komfortzone heraus und wird ein Pionier, der Neuland betritt? Dabei kann überraschenderweise die Zukunftsforschung helfen – natürlich nicht pseudowissenschaftlich-esoterische Methoden wie Trendanalysen und -extrapolationen. „Hier schaut man in den Rückspiegel, während man nach vorn fährt; man kommt aus alten Pfaden nicht heraus“, merkte Doris Wilhelmer, Innovationsforscherin am Austrian Institute of Technology (AIT) an. Vielmehr könnte eine moderne Methode namens „partizipatives Foresight“ einen Weg weisen – diese Methode erlebt derzeit in Europa einen riesigen Boom. Dabei werden Experten verschiedenster Fachrichtungen und Betroffene (Stakeholder) zu einem bestimmten Thema zusammengebracht, um Zukunftsbilder zu entwickeln und sich – unabhängig von ihren Rollen – in eine wünschenswerte Zukunft hineinzudenken. Das Ergebnis sind zum einen, wie bei anderen Methoden auch, dicke Ergebnisberichte. Zum anderen – und das ist entscheidend – ändern sich im Lauf des Prozesses die Sichtweisen, die „mentalen Landkarten“ der Beteiligten. „Die Leute handeln in der Gegenwart anders“, so Wilhelmer. Und das wiederum ermöglicht es, (vielleicht) aus Komfortzonen ausbrechen zu können.

Der Grundgedanke dahinter ist im Grunde nicht neu: „Die Zukunft vorhersehen heißt nicht anderes als: die Zukunft gestalten“, sagte schon der legendäre Management-Guru Peter Drucker.

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2013)

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