Begriffe der Wissenschaft: Feinstaub

Sehr feiner Feinstaub ist viel gefährlicher als bisher gedacht. Eine Absenkung der Grenzwerte würde indes riesige Probleme schaffen.

Man vermutet schon lange, dass Feinstaub umso gefährlicher ist, je feiner er ist. Nun haben wir es schwarz auf weiß: In „The Lancet“ (9.12.) wurden die Ergebnisse des EU-Forschungsprojektes „Escape“ veröffentlicht – einer Zusammenschau von 22 Einzelstudien, in denen bei 367.251 Menschen die Korrelation zwischen PM2,5-Konzentration in der Luft und Sterblichkeit untersucht wurde. Diese Feinstaubkategorie umfasst Partikel, deren „hydraulischer Durchmesser“ kleiner als 2,5 Mikrometer ist. Das bisher übliche Feinstaub-Maß ist PM10 (Teilchen kleiner als zehn Mikrometer) – bei dem Österreich ja traditionell große Probleme mit Grenzwertüberschreitungen hat.

Das alarmierende Ergebnis: Selbst bei Konzentrationen, die weit unter dem derzeitigen EU-Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m3) Luft liegen, erhöht PM2,5 die Sterblichkeit deutlich. Die Partikel können von den Härchen in den Bronchien nicht entfernt werden, sie dringen tief in die Lungenbläschen ein und können in das Blut übertreten. Die Folgen sind u.a. Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Mechanismen dahinter sind weithin ungeklärt. Dass die ganze Dimension des Problems erst jetzt klar wird, liegt daran, dass die Analyse so kleiner Teilchen nicht einfach ist. Feinstaub ist ein Überbegriff über ein vielfältiges Gemisch aus festen und flüssigen Partikeln mit unterschiedlicher Größe, Form und chemischer Zusammensetzung – je nachdem, ob ein Teilchen z.B. aus einem Heizkessel stammt, ob es sich aus Schwefel- oder Stickoxiden gebildet hat oder ob es im Straßenverkehr aufgewirbelt wurde.

Das Umweltbundesamt verkündete kürzlich eine an sich positive Nachricht: Die Feinstaub-Emissionen sind hierzulande seit 2000 um elf bis 16 Prozent (je nach Kategorie) gesunken. Bei PM10 lagen die Jahresmittelwerte 2012 bei den Messstellen zwischen 24 und 33 μg/m3, bei PM2,5 zwischen neun und 21 μg/m3. Wenn der PM2,5-Grenzwert – wie von den Autoren der Lancet-Studie gefordert – auf den WHO-Vorschlag von zehn μg/m3 gesenkt werden sollte, dann gibt es ein echtes Problem: Dieser Wert würde in Österreich nur an einer einzigen Messstelle (von 34) eingehalten werden!

Das bedeutet: Entweder man ignoriert die medizinischen Folgen, oder man muss drastische Maßnahmen ergreifen – etwa bessere Filter oder noch strengere Tempolimits. Allerdings nützt es wenig, wenn Österreich im Alleingang tätig wird, denn gerade an Tagen mit starker Belastung spielt der Ferntransport von Vorläufersubstanzen – etwa aus Nordmähren – eine dominierende Rolle.

Der Mensch hat sich ein Problem geschaffen, dessen er nun sehr schwer Herr wird.

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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