Die künstliche Beschneiung boomt

Eine Antwort auf die Verschiebung der Schneefallgrenze - aber noch viel mehr eine ökonomische Maßnahme.

Faktum ist, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Durchschnittstemperatur im Alpenraum doppelt so stark (um zwei Grad) gestiegen ist als im globalen Durchschnitt. Faktum ist weiters, dass ein steigender Anteil der Winterniederschläge nicht als Schnee vom Himmel herabrieselt. Allerdings betont das Gros der Klimaforscher, dass daraus nicht vorschnell geschlossen werden dürfe, dass Österreichs Skigebieten bald das Aus drohe.

Denn so einfach ist die Sache nicht. Meist wird angenommen, dass die Schneelage eine Funktion der Seehöhe sei: je höher, desto mehr Schnee; und je wärmer es wird, umso höher liegt die Schneefallgrenze. Das ist aber so nicht richtig: Wie Herbert Formayer, Klimatologe an der Boku, erläutert, stimmt der Zusammenhang zwischen Höhe und Schneelage lediglich für die Schneeschmelze. Für die Schneefallgrenze hingegen sei essenziell, welche Luftmasse den Niederschlag verursacht: Kommt die Luft vom Atlantik? Oder aus dem Mittelmeerraum? Oder von der Nord- und Ostsee? Die Anströmrichtung kann sich durch die Klimaveränderung verschieben. Ergo ist eine differenziertere und regionale Betrachtung notwendig.

Wie dem auch sei: Der Bau von Beschneiungsanlagen boomt. Laut Schätzungen der Wirtschaftskammer werden 60 Prozent der 23.000 Hektar Pistenfläche in Österreich künstlich beschneit. Das erfordert riesigen Aufwand: Pro Hektar Piste werden um die 5000 Kubikmeter Wasser benötigt, moderne Anlagen benötigen pro Kubikmeter Schnee ein bis drei Kilowattstunden Energie (der Großteil für das Hochpumpen von Wasser), die Kosten werden mit günstigstenfalls zwei bis drei Euro je Kubikmeter beziffert. Schneekanonen wurden übrigens in den 1940er-Jahren eher zufällig erfunden. Als kanadische Techniker die Vereisung von Flugzeugturbinen im Klimawindkanal testen wollten, entstand (unerwünschter) Schnee. Seit den 1970er-Jahren wird das Prinzip großflächig angewandt.

Ein Grund dafür ist sicher, dass die Schneesicherheit in tiefen Lagen abgenommen hat (bzw. der Winter später beginnt und früher endet). Mindestens genauso wichtig sind aber ökonomische Gründe: In Tourismusgebieten wird immens viel Geld investiert (in Lifte, Pisten, Hotels etc.), und diese Investitionen müssen sich rechnen. Ein Jahr Einnahmenausfall durch Schneemangel kann für manche Betriebe schon das Ende bedeuten. Folglich müssen Unsicherheiten so weit wie möglich beseitigt werden. Und bei jetzigen Klimadaten ist die Beschneiung – als kurzfristige Anpassungsmaßnahme an Klimaveränderungen – offenbar immer noch die günstigste Variante. Noch.

martin.kugler@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

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