Wort der Woche

Leitungswasser vs. Wasserflaschen: Wie groß der jeweilige CO2-Fußabdruck ist und was das für einen durchschnittlichen Wiener bedeutet.

Begriffe der Wissenschaft

Als gelernter Wiener schüttelt man bisweilen ungläubig den Kopf, wenn Menschen Unmengen Mineralwasserflaschen nach Hause schleppen. Schließlich beneidet die ganze Welt Wien um das exzellente Hochquellwasser. Mögliche Blei- und Nickelbelastungen durch alte Rohrleitung und Armaturen kann man als Konsument leicht umgehen, indem man das Wasser vor Gebrauch ein bisschen rinnen lässt. Man hat dabei zwar ein bisschen schlechtes Gewissen, weil viel Wasser ungenutzt in den Abfluss rinnt. Aber gleichzeitig redet man sich ein, dass Leitungswasser immer noch einen kleineren ökologischen Fußabdruck als Wasserflaschen hat.

Ist dem wirklich so? Dieser Frage ist eine Gruppe von Forschern der Boku um Reinhard Perfler nachgegangen; die Ergebnisse wurden in der Vorwoche bei einem Symposium der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach vorgestellt. Konkret wurde der CO2-Fußabdruck analysiert, also die Emissionen von Treibhausgasen bezogen auf einen Liter konsumierten Wassers. Betrachtet wurden drei für Österreich typische Trinkwasserversorger mit unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich Aufbereitung des Wassers oder nötiger Pumpenergie. Das Ergebnis: Ein Liter Wasser, den der Konsument aus der Leitung entnimmt, geht mit der Emission von 0,1 bis 0,3 Gramm CO2-Äquivalenten einher (dabei sind andere anfallende Treibhausgase in die Erwärmungswirkung von CO2 umgerechnet). Interessant: Die größten Posten in der CO2-Bilanz sind das Leitungsnetz (je nach Besiedlungsdichte) und die Baumaßnahmen (vom Aushub bis zur Wiederherstellung der Oberflächen).

Bei Flaschenwasser kommen die Forscher auf ganz andere Zahlen: nämlich auf 75 bis 140 g CO2 je Liter, abhängig von der Größe der Gebinde und davon, ob diese wiederbefüllt werden oder nicht. Der größte Einzelposten bei 1,5-Liter-PET-Flaschen ist die Flaschenproduktion (obwohl dabei eine sehr hohe stoffliche Recyclingrate angenommen wurde). Das heißt, dass der Konsum von einem Liter Flaschenwasser um eine Größenordnung von 100 Mal mehr Treibhausgase verursacht als von einem Liter Leitungswasser. Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn das Wasser prickeln soll: Das Carbonisieren erfolgt in der Flaschenwasserfabrik (mit 20Gramm CO2 je Liter) deutlich effizienter als mit einem privaten Sprudelgerät (36Gramm CO2). Summiert man alle Faktoren, dann ändert sich aber am Vergleich nichts Grundsätzliches.

Das bedeutet: Man müsste schon sehr viel Wasser vor dem Konsumieren aus dem Hahn in die Donau rinnen lassen, damit man einen CO2-Wert wie bei Wasserflaschen erreicht. Wodurch das ökologische Gewissen halbwegs rein bleibt.

martin.kugler@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2014)

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