Bioökonomie

An dem boomenden Bereich der Bioökonomie wird heftige Kritik laut. Sosehr eine Diskussion darüber auch notwendig wäre – die jetzige Debatte ist ein reiner Stellvertreterkrieg.

Unter Bioökonomie versteht man „die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen“. So ist es in der „Politikstratgie Bioökonomie“ definiert, die Mitte 2013 von fünf deutschen Ministerien beschlossen wurde – in Anlehnung an Papiere der OECD oder der EU. Auch in Österreich wurde diese Definition übernommen, und zwar in einem Positionspapier des Vereins Bios Science Austria, in dem u.a. die Universität für Bodenkultur und die Veterinärmedizinische Uni kooperieren. Argumentiert wird, dass mittels Bioökonomie die „Grand Challenges“, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Bevölkerungsexplosion, Ressourcenverknappung oder Treibhausgasausstoß, bewältigt werden könnten und eine nachhaltige Entwicklung möglich werde.

Wer würde das Ziel einer am natürlichen Kreislauf orientierten Wirtschaft nicht unterstützen? Nun, es gibt manche. Und zwar nicht nur aus der Ecke von „Fans“ der fossilen Rohstoffe, sondern auch aus der Öko-Szene. Die Einwürfe der ersteren Gruppe kennt man, die „alternative“ Kritik wird nun in Franz-Theo Gottwalds und Anita Krätzers Buch „Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz“ (176 S., 14,40 Euro, Suhrkamp Edition Unseld) dargelegt. Unter Bioökonomie würde „ein Bündnis aus Biotechnologie-, Pharma-, Chemie-, Nahrungsmittel- und Agrarunternehmen an der kommerziellen Inbesitznahme alles Lebendigen“ arbeiten, heißt es dort. Tiere und Pflanzen würden zur „Biomasse“ degradiert. Untermauert wird das v.a. mit sattsam bekannter Kritik an Gentechnik, Landwirtschaft oder Bioenergie. Überhaupt nicht thematisiert werden die wirklich zentralen Fragen, etwa neue Synthesemethoden, die Naturstoffe viel intelligenter nutzen als bisher. Hier fehlt den beiden Autoren – einem Theologen und Sozialwissenschaftler sowie einer Umweltberaterin und Übersetzerin – offenbar auch das nötige Fachwissen.

Beim Lesen der Ausführungen drängt sich der Verdacht auf, dass die beiden Autoren eigentlich einen Stellvertreterkrieg führen: Ihnen geht es höchstens am Rande um die ökologische Dimension des menschlichen Handelns, sondern – einmal mehr – um eine Fundamentalkritik am Kapitalismus. Oder wie anders könnte man den folgenden Satz verstehen: Die Bioökonomie stelle „in den meisten Bereichen eine Fortsetzung und Ausweitung eines an schnellen Gewinnen orientierten Systems“ dar?

Schade um eine vergebene Chance, eine dringend nötige Debatte anzustoßen!

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.