Musiker sind leistungsfähiger

Die Beschäftigung mit Musik steigert vielleicht nicht den IQ – Musiker sind aber in mancherlei Hinsicht leistungsfähiger.

Zugegeben: Als musikbegeisterter Mensch fällt es mir schwer zu akzeptieren, dass Musik nicht für alle Menschen die wichtigste Nebensache der Welt ist. Es ist aber so: Diese Woche berichteten spanische Forscher, dass Musik einen Teil ihrer Probanden einfach kalt ließ. Das wurde nicht nur mittels Fragebögen eruiert, sondern zeigte sich auch in objektiven Messungen des Herzrhythmus' und der Leitfähigkeit der Haut. Das Interessante dabei: In weiterführenden Untersuchungen wurde bewiesen, dass auch jene Menschen, die sich nichts aus Musik machen, psychisch völlig „normal“ sind – bei ihnen war nämlich keine Spur zu finden von bekannten neurologischen Störungen wie Amusie (fehlende Fähigkeit, Musik wahrzunehmen) oder Anhedonie (Musik kann nicht als Genuss empfunden werden). Diese Menschen strafen jedenfalls die weitverbreitete Annahme Lügen, dass Musik eine angeborene universelle Sprache des Menschen sei.

Schon vor einigen Monaten wurde eine andere von Musik-Liebhabern gern gepflegte Meinung in das Reich der Mythen verwiesen: der „Mozart-Effekt“. In den 1990er-Jahren waren US-Forscher auf einen Zusammenhang zwischen klassischer Musik und Intelligenz gestoßen. In einer Variante des Effekts waren angeblich Prüfungsleistungen besser, wenn man zuvor Mozart gehört hatte; in einer anderen Variante wurde von einer Steigerung des Intelligenzquotienten um 2,7 Punkte pro Jahr Musikunterricht berichtet. Bei einer nachträglichen genauen Auswertung dieser Studien wurde nun aber entdeckt, dass diese Schlüsse nicht haltbar sind. Genauer gesagt: Die Effekte sind so klein, dass sie statistisch nicht signifikant sind.

Das bedeutet freilich nicht, dass musikalisches Training keinerlei messbare Effekte auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns hat. Forscher der Universität Münster haben nun untersucht, wie die zeitliche Verarbeitung von audiovisuellen Reizen im Gehirn abläuft – sie haben dazu 15 Musiker mit 14 Nicht-Musikern verglichen. Die Annahme war nämlich, dass bei erfahrenen Musikern die Fähigkeit zur Integration unterschiedlicher Reize verbessert ist: So muss beispielsweise ein Orchestermusiker ständig seine Mitmusiker beobachten und ihnen zuhören, um nicht aus dem Takt zu kommen und sich in der Stimmung anzupassen. Es zeigte sich, dass Musiker in der Tat viel besser darin waren, verschiedene Reize zu integrieren.

Langjähriges Training wirkt eben – und Verbesserungen lassen sich messen. Wenn auch vielleicht nicht auf einer so groben Skala wie dem IQ.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazin“.

martin.kugler@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2014)

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