Bienensterben

Die laufende Debatte um das Bienensterben beweist einmal mehr, wie sehr es der Mensch offenbar liebt, eindimensional zu denken.

Der Mensch liebt es, in einfachen Ursache-Wirkungs-Ketten zu denken – nach dem Schema: Wenn A passiert, dann ist B die Folge. Und noch lieber zieht der Mensch den (logisch unzulässigen) Umkehrschluss: Wenn B beobachtet wird, muss A die Ursache dafür sein. Blöd ist nur, dass dieses Denkschema der Realität nicht gerecht wird: Sobald es mehrere mögliche Ursachen für ein Phänomen gibt, die vielleicht sogar zusammenhängen, dann kommt ein großer Pallawatsch heraus.

Zum Beispiel so einer, wie er aktuell bei der Debatte um das Bienensterben zu beobachten ist. Im Umfeld der Konferenz „Meet the Bees“ Anfang dieser Woche strotzte es wieder einmal vor eindimensionalen Sichtweisen und Schuldzuweisungen. Zu hören war fast nur von zwei möglichen Ursachen für die hohen Winterverluste bei Bienenvölkern: von der Varroamilbe und von den (im Vorjahr verbotenen) Neonicotinoiden. Viele Umweltschützer machten einmal mehr die Chemikalie als Haupttäter fest, die Chemieindustrie hingegen die Varroamilbe.

Vielleicht hätten alle, die sich zu Diskussionsbeiträgen bemüßigt gefühlt haben, einmal einen Blick in die kürzlich veröffentlichte EU-Studie „Epilobee“ werfen sollen. In diesem Projekt wurde in 31.832 Bienenstöcken in 17 europäischen Ländern systematisch untersucht, welche der sieben wichtigsten Bienenschädlinge bzw. -krankheiten nachweisbar waren. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich: In manchen Länder sind nur drei Prozent der Stöcke von der Varroamilbe befallen, in anderen weit über 15 Prozent. Noch krasser ist das bei dem Einzeller Nosema, der etwa in Deutschland komplett fehlt, in Ungarn oder Schweden aber in mehr als zehn Prozent der Bienenstöcke wütet. Auch bei der (amerikanischen und europäischen) Faulbrut oder der Virenerkrankung CBPV ist der Befall von Land zu Land sehr unterschiedlich.

Was bei den Daten auffällt: Es ist kein Zusammenhang zwischen dem Schädlingsbefall und dem Prozentsatz der im Winter verendeten Bienenvölker erkennbar. Die einzige offensichtliche Regelmäßigkeit ist, dass in Skandinavien mehr Bienen im Winter erfroren sind als im Mittelmeerraum. Was nicht wirklich überraschend ist.

Aus Studien wie dieser kann man aber dennoch etwas mitnehmen: Es ist derzeit völlig unbekannt, welche Faktoren für das Bienensterben verantwortlich sind und wie diese zusammenwirken. Das sollte man vielleicht bedenken, bevor man einen allzu eindimensionalen Beitrag zur Debatte abgibt.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

martin.kugler@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)

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