Naturschutz und Entwicklung

Naturschutz und Entwicklung: Um den Schutz der Deutschen Tamariske am Osttiroler Fluss Isel tobt derzeit ein heftiger Streit.

Der Stein des Anstoßes trägt die Kurzbezeichnung LRT 3230. Dahinter verbirgt sich eine Kategorie im europäischen Naturschutzrecht, nämlich der „Lebensraumtypus 3230 – Alpine Flussvegetation mit Ufergehölzen von Myricaria germanica“. Diese Pflanze – Deutsche Tamariske, auch Rispelstrauch genannt – ist eine Pionierpflanze, die auf neu gebildeten Schotterflächen an Gebirgsflüssen wächst. Keimen die Samen aus, verankern ihre Pfahlwurzeln den bis zu zwei Meter hohen Strauch fest und sicher vor Überschwemmungen im Untergrund.

Die Deutschen Tamarisken benötigen sehr viel Licht; sobald andere Uferpflanzen wie Weiden oder Erlen hochkommen, verdrängen sie die Tamarisken. Diese sind mittlerweile überaus selten geworden, weil es kaum noch frei fließende Gebirgsbäche gibt. In Österreich wachsen primäre (ursprüngliche) Bestände noch an der Lech und an der Isel, vereinzelt findet man sie auch noch an der Drau und der Gail. Mit großem Aufwand wurden sie vor einigen Jahren wieder an der Oberen Traun angesiedelt (mit Stecklingen aus dem Drautal), aktuell läuft ein Projekt am Johnsbach und an der Enns im Nationalpark Gesäuse.

Der Menschenverstand sagt einem, es wäre gescheiter, eine Pflanze erst gar nicht auszurotten, als sie später mühsam wieder ansiedeln zu müssen. Der Meinung ist auch die EU. Sie verlangt von Österreich, das größte heimische Vorkommen an der Isel als Natura-2000-Gebiet auszuweisen. Das muss bis Ende September geschehen – gegen Österreich läuft wegen Dutzender fehlender Natura-2000-Widmungen bereits ein Vertragsverletzungsverfahren.

Dagegen regt sich aber massiver Widerstand: Osttiroler Bürgermeister, die sich um das Entwicklungspotenzial ihrer Gemeinden sorgen, laufen derzeit gegen einen ersten Vorschlag der grünen Tiroler Umweltlandesrätin Ingrid Felipe Sturm. Sie haben sich an Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gewandt und wollen die Unterschutzstellung der gesamten Isel verhindern.

Umweltschützer können die Argumente der Lokalpolitik nicht nachvollziehen: Sie betonen gebetsmühlenartig, dass Natura 2000 kein Verhinderungsinstrument sei, sondern im Gegenteil große wirtschaftliche Chance eröffne – etwa Förderungen für eine nachhaltige Regionalentwicklung oder den Tourismus. Die vier geplanten Kraftwerke an der Isel, für die Pläne fertig in den Schubladen liegen, fallen freilich nicht unter diese Möglichkeiten ...

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.