Kormorane

Sie waren schon fast ausgestorben, derzeit nehmen die Bestände der Kormorane aber wieder zu – und mit ihnen auch die Konflikte.

Für den Naturbeobachter gibt es kaum einen Anblick, der mehr Ruhe verströmt, als ein Kormoran, der stundenlang mit ausgebreiteten Flügeln regungslos dasitzt und sein Gefieder trocknen lässt. Die meisten Fischer können diesen Anblick wohl weniger genießen. Für sie strahlt er auch keine Ruhe aus. Im Gegenteil – er bringt sie eher in Wallungen. Denn vor seinem Erstarren hat der große schwarze Vogel einen Fisch gefressen. Mindestens einen. Fischer beklagen, dass ihnen die Kormorane „ihre“ Gewässer leer fressen. Denn die Ruderfüßer treten gewöhnlich in Trupps zu 20 bis 250 Tieren auf – und bei einem Tagesbedarf von einem halben Kilo Fisch pro Vogelkopf kommt da einiges zusammen.

Das Problem der Fischer: Der Kormoran ist eine geschützte Tierart. Die in unseren Gefilden lebende Variante Phalacrocorax carbo sinensis war Mitte des 20. Jahrhunderts so gut wie ausgestorben – hauptsächlich wegen der Nachstellung durch den Menschen. Diese reicht in der Geschichte weit zurück: „In unseren Gegenden kommt ein schwarzer Wasservogel vor, der Fische in Flüssen und Meeren jagt und in diesen sehr großen Schaden anrichtet“, schrieb Albertus Magnus Mitte des 13. Jahrhunderts. In der Fischereiordnung von Kaiser Maximilian I. wurde den Fischern an der Traun erlaubt, „Schadtvögel“ in Hochnetzen zu fangen.

Davon haben sich die Bestände dank der Unterschutzstellung mittlerweile erholt: Seit den 1990er-Jahren breitet sich der Kormoran aus. Laut dem EU-Projekt „CorMan“ gibt es in Europa aktuell 400.000 Brutpaare. Seit dem Jahr 2001 brüten die Tiere auch wieder in Österreich – im Jahr 2012 gab es 65 besetzte Nester in der Nähe des Neusiedler Sees, in den Marchauen und am Bodensee.

Dort, und zwar am Baden-Württemberger Ufer, ist diese Woche eine Studie veröffentlicht worden, in der das Fressverhalten der Kormorane untersucht wurde. Bei 282 abgeschossenen Tieren wurde der Mageninhalt untersucht, es fanden sich vor allem Barsche, Stichlinge, Rotaugen und Schleien. Der regionale Fischereiverband – Auftraggeber der Studie – stellte fest, dass Kormorane auch geschützte Fischarten jagen: Unter den „Opfern“ fanden sich nämlich sechs der 31 auf der Roten Liste genannten Fischarten. Womit wohl nichts anderes ausgesagt werden soll, als dass die Zahl der Kormorane auch aus Gründen des Naturschutzes schleunigst gesenkt werden müsse . . .


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum-Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2014)

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