Kaffee und Kipferl

Das Wiener Frühstück - Kaffee und Kipferl - ist eine auch heute willkommene Konstruktion des 19.Jahrhunderts, sagen Historiker.

Leider. Das Wiener Frühstück – Kaffee und Kipferl – ist keine Wiener Erfindung. Es war kein Wiener, der den Kaffee nach Europa gebrachte oder das erste Kaffeehaus eröffnet hat. Und es war auch kein Wiener, der das Kipferl erfand. Dass beides mit der Stadt an der Donau in Verbindung gebracht wird, ist so bemerkenswert, dass dieses Thema im Zentrum einer wissenschaftlichen Tagung stand, die 2012 in Pécs und Osijek stattfand. Die Konferenzbeiträge sind nun unter Federführung des Wiener Historikers Moritz Csáky unter dem Titel „Kulinarik und Kultur“ (196 Seiten, 29,90 Euro, Böhlau) als Buch erschienen. Der Untertitel ist Programm: „Speisen als kulturelle Codes in Zentraleuropa“.

Essgewohnheiten, so stellt Johannes Feichtinger (ÖAW) fest, seien integraler Bestandteil der Kultur. Eine Speise erfülle eine identitätsstiftende Funktion, könne ein Wir-Gefühl stärken. Was bei der Geschichte des Kipferls unübersehbar ist: Der Legende zufolge wurde es vom Wiener Bäcker Peter Wendler 1683 zur Verspottung der eben besiegten Osmanen erfunden – so habe man den Feind auch mit den eigenen Zähnen vernichten können, liest man immer wieder. Das ist frei erfunden: Besagter Wendler war damals bereits tot, und Mondsichelgebäck gab es schon im 12. Jahrhundert.

Erstmals aufgeschrieben wurde die Kipferl-Legende erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Also in einer Zeit, in der die in Wien verbreiteten Speisen zur „Wiener Küche“ erklärt wurden. Diese Verwienerung, so stellt der Volkskundler Konrad Köstlin (Uni Wien) fest, sei „Ergebnis und Begleiter eines Traums vom harmonischen Vielvölkerreich“. Die unzähligen „Wiener“ Kochbücher, die damals entstanden, waren zum größten Teil mit Rezepten aus den Kronländern gefüllt. Die Wiener Küche habe einen „hegemonialen Zungenschlag“, merkt Köstlin an.

Zum kulinarischen Klischee Wiens gehört natürlich auch das Kaffeehaus. In Hafenstädten gab es diese aus dem Orient übernommenen Etablissements schon längst. Aber durch „geschickte Selbstvermarktung“, so Johann Heiss (ÖAW), stilisierte sich Georg Franz Kolschitzky selbst zum Helden, der einen Sack Kaffeebohnen aus den osmanischen Stellungen in die Stadt gebracht habe, und zum Kaffee-Erfinder. Im Wien des 19. Jahrhunderts war freilich auch diese Legende hochwillkommen. Und heute, da ein USP das Um und Auf im globalen Wettbewerb um Touristen ist, erst recht!

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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