Begriffe der Wissenschaft

Ein Wiener Historiker hat das afrikanische Österreich in einem Reiseführer dokumentiert: eine spannende und bisweilen überraschende Lektüre.

Vor mehr als 1700 Jahren machte ein Österreicher in Afrika Karriere: Publius Aelius Flavius (aus dem heutigen St. Pölten) wurde Tribun bei der 3. Legion in Algerien. Im Römischen Reich waren Kontakte und Austausch zwischen Mitteleuropa und Afrika nichts Ungewöhnliches. Nach dessen Zusammenbruch hingegen schon: Im Hochmittelalter hatten allenfalls Kreuzritter direkten Kontakt zu Afrikanern, erläutert der Wiener Historiker Walter Sauer in seinem eben erschienenen Buch „Expeditionen ins afrikanische Österreich“ (473 Seiten, 24,90 Euro, Mandelbaum-Verlag). Er zeichnet darin die Wege und Irrwege der Beziehungen zwischen Österreich und Afrika, zwischen Menschen mit weißer und dunkler Hautfarbe nach. Und zwar in Form eines Reiseführers durch Österreich.

In Klosterneuburg etwa ist am Verduner Altar dokumentiert, dass schwarze Figuren Weise (etwa die Königin von Saba) repräsentieren. In vielen Kirchen (etwa im Wiener Stephansdom) oder Schlössern (etwa in der Alten Residenz in Salzburg) gibt es Darstellungen von schwarzen Menschen – diese waren, so Sauer, allerdings nicht gegen Afrika per se gerichtet, sondern symbolisierten allgemein den Kampf gegen „andere“ (die getauft oder bekämpft werden sollten). Die Haltung der Europäer gegenüber Afrikanern war ambivalent – zwischen Faszination („edle Wilde“) und Überlegenheitsgefühl. Die erschütternde Geschichte des Angelo Soliman kann dafür als Beispiel dienen: Dieser war als Kind von Sklavenjägern in Afrika geraubt worden, wurde in Wien ein angesehener Mann – und nach seinem Tod ausgestopft.

Im 19. Jahrhundert kam es zu einer deutlichen Akzentverschiebung: Das zuvor geschätzte „Edle“ trat gegenüber dem „Wilden“ in den Hintergrund. Im Wiener Prater wurden etwa „Buschmenschen“ zur Schau gestellt. Im Zuge des Kolonialismus entwickelten sich dann jene Klischees über Schwarze, die erst heute langsam abgebaut werden. Sauer führt auch zu Orten, die für die aktuellen Debatten stehen – zu Afroshops in Linz genauso wie zur Mohren-Brauerei in Dornbirn.

Dass sich einiges getan hat, zeigt der Reiseführereintrag bei Rust: Seit den 1950er-Jahren stand an der Strandpromenade eine Schautafel mit der Aufschrift „Bisher kamen siebzehn Störche mit Negerpfeilen im Körper aus Afrika zurück“. 2004 gab es dagegen Proteste – und schon nach kurzer Debatte wurde diese Tafel durch eine mit biologischen Erläuterungen zum Vogelzug ersetzt.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.