Mit dem Frühling beginnen auch die Vögel wieder zu zwitschern

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Kohlmeisen erweisen sich dabei als virtuose Sänger mit individueller Persönlichkeit.

Man merkt nicht nur an der Länge der Röcke, dass nun der Frühling einzieht – man kann es auch hören: Immer häufiger ist jetzt ein Piepen, Zwitschern, Tirilieren zu vernehmen (obwohl es ja – leider – noch ein paar Wochen bis zur Balzzeit dauern wird). Besonders aktiv sind bereits die Kohlmeisen: Diese sind, wie die heurige Winterzählung von Bird Life erneut gezeigt hat, seit einigen Jahren die häufigsten Vögel in unseren Breiten – Kohlmeisen gelten als Gewinner des Klimawandels. Sie zählen zu den am wenigsten scheuen Vögeln, haben ein ausgeprägtes Sozialleben und eine strenge Hierarchie im Winterschwarm, zudem gehören sie zu den versiertesten heimischen Sängern mit einem breiten Repertoire: von einem unspezifischen „Pink“ über ein „Prrr“ oder „Dädädä“ (bei Erregung) über ein flötendes „Didüi“ (als Kontaktruf zum Partner) bis hin zu ausgedehnten vielstrophigen Liedern aus Motiven mit zwei bis vier Tönen (als Reviergesang).

Für Laienohren sind die vielen Variationen nur schwer unterscheidbar, für Forscher sind sie aber eine reiche Erkenntnisquelle zum Beispiel für das Verhältnis zwischen angeborenem und erlerntem Verhalten. So weiß man etwa, dass die Elterntiere ihren Nachkommen im Rahmen der angeborenen Fähigkeiten bestimmte neue Tonfolgen lehren und die Vögel auf den Lärmpegel in ihrer Umgebung reagieren: In Städten, die von einem tieffrequenten menschengemachten Geräuschpegel geprägt sind, singen Kohlmeisen höher als in freier Wildbahn.

Singen ist – eine hübsche Analogie zum Menschen – ein höchst sozialer Akt: Wie holländische Ornithologen kürzlich herausgefunden haben, passen Kohlmeisenmännchen ihre Reviergesänge an die Lieder anderer Vögel in der Nähe an und unterscheiden dabei genau zwischen Konkurrenten, die vertrieben werden sollen, und Männchen in angrenzenden Revieren, die mehr oder weniger toleriert werden (PlosOne, 18.2.). Die Kohlmeisen wollen nämlich anders klingen als ihre Artgenossen, sie wollen weiterhin individuell erkennbar bleiben.

Das mag überraschend klingen – aber in unzähligen Versuchen mit Kohlmeisen zeigte sich deutlich, dass die Tiere über individuelle Persönlichkeiten verfügen: Manche sind eher forsch und proaktiv unterwegs, andere eher reaktiv. Diese Charakterunterschiede spiegeln sich auch im Gesang wider: Männchen mit einem großen Repertoire an Gesängen sind dominanter – und bei der Partnerinnensuche erfolgreicher.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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