Plastikmüll im Meer

Große Mengen an Plastikmüll treiben nicht nur in Atlantik und Pazifik – auch das Mittelmeer ist schwer belastet, das wurde gerade gezeigt.

Das Bild von im Meer treibenden Inseln aus Plastikmüll, das von manchen Medien gezeichnet wird, ist falsch: Es gibt keine großen Zusammenballungen von Plastikflaschen, -sackerln etc., die kompakt im Meer schwimmen. Das heißt nicht, dass Plastikmüll im Meer kein Problem wäre, man kann es in all seinen Dimensionen im Grazer Naturkundemuseum verfolgen, in dem gerade die Ausstellung „Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt“ eröffnet wurde (bis 30.8.): In den Ozeanen treiben in der Tat gigantische Mengen Kunststoffabfälle – und diese sammeln sich an bestimmten Stellen an.

Wissenschaftler sprechen aber nicht von Müllinseln (dieses Wort stammt von Umweltschutzgruppen), sondern von Garbage Patches (Müllflecken), in denen es eine erhöhte Konzentrationen von Plastikpartikeln gibt (300 bis 600 Gramm Plastik je Quadratkilometer). Diese sind meist so klein, dass man sie mit freiem Auge kaum sieht: Der Abfall wird mit der Zeit durch Wellenbewegungen, UV-Licht und biologische Prozesse in Partikel zerlegt, die man nur mit feinen Netzen nachweisen kann.

Die Müllflecken befinden sich im Zentrum großräumiger Meereszirkulationen im Nord- und Südatlantik, im Nordpazifik, westlich von Südamerika und zwischen Afrika und Australien. Nun haben spanische Wissenschaftler gezeigt, dass zu diesen fünf „Hotspots“ noch ein sechster kommt: das Mittelmeer. Die Plastikkonzentrationen sind ähnlich wie in den bekannten „Hotspots“ (PloS One, 1.4.). Das überrascht nicht: An den Küsten des Mittelmeers (mit seinem dichten Schiffsverkehr) leben 100 Mio. Menschen, über die großen Flüsse wird zusätzlich Abfall herangespült, und das Mittelmeer ist beinahe abgeschlossen – daher sammelt sich Müll im Meeresbecken an.

Wie viel Plastikmüll sich in den Weltmeeren befindet, weiß niemand. Die Angaben verschiedener Forscher unterscheiden sich stark, und es herrscht eine große Kluft zwischen dem geschätzten jährlichen Eintrag (laut Angaben der UN-Umweltorganisation UNEP mehr als sechs Millionen Tonnen) und den Messwerten. Das liegt vor allem daran, dass man nicht weiß, was mit den Plastikpartikeln weiter geschieht: Ein Teil wird von Lebewesen gefressen – mit größtenteils unbekannten Folgen –, ein anderer Teil sinkt mit abgestorbenen Tieren oder Algen, an die sich die Partikel haften, auf den Meeresgrund. Über diese Prozesse weiß man so gut wie nichts.

Sicher ist: Plastik ist langlebig. Getränkeflaschen und Nylonnetze sind erst nach rund 500 Jahren vollständig zersetzt.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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