Dämonisierung des Cholesterins könnte zu Ende gehen

Wenn die US-Politik nicht den Mut verliert, dann geht die Dämonisierung von Cholesterinin der Nahrung bald zu Ende – und damit verschwinden auch viele unnütze Diäten.

Auf der Homepage des US-Gesundheits-Departments war in jüngster Zeit ziemlich viel los: Tausende Bürger nutzten die Gelegenheit, ihre Meinung zur Neufassung der „Dietary Guidelines for Americans“ zu äußern. Was diese Ernährungsempfehlungen genau beinhalten werden, ist noch offen– sie werden im Herbst veröffentlicht. Aber wenn die Politik den Anregungen ihrer Berater folgt, dann gibt es eine echte Revolution (sie sorgte für die vielen Postings): In einem vorbereitenden Expertenpapier hieß es nämlich, dass „Cholesterin kein Nährstoff ist, dessen übermäßiger Konsum bedenklich ist“. Damit brechen die Forscher mit einem Dogma: dass man durch cholesterinarme Ernährung den Blutcholesterinspiegel senken und das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduzieren könne.

Seit den 1980er-Jahren galt deswegen die Empfehlung, täglich nicht mehr als 300 mg Cholesterin zu sich zu nehmen. Durch die Einführung dieses Richtwerts wurden seinerzeit Eier, Milchprodukte und Fleisch zu einem großen Gesundheitsproblem erklärt, Generationen besorgter Bürger hielten Diät, eine ganze Industrie, die cholesterinarme Lebensmittel herstellt (von Margarine bis Soja), bekam einen gigantischen Schub.

Diese Dämonisierung des Cholesterins könnte nun zu Ende gehen. Aus streng wissenschaftlicher Sicht scheint das Streichen der 300-mg-Empfehlung längst überfällig: Schon seit Langem weiß man, dass der Körper täglich ein bis zwei Gramm Cholesterin selbst produziert (das Molekül hat lebenswichtige Aufgaben im Körper) – wenn ihm zusätzliche Mengen über die Nahrung zugeführt werden, dann drosselt er die Eigenproduktion. Bei Menschen mit gesundem Stoffwechsel funktioniert das problemlos. Lediglich Personen mit bestimmten angeborenen Stoffwechselkrankheiten müssen Diät halten – für diese Menschen sind auch die cholesterinsenkenden Medikamente wirklich lebensrettend.

Dass Cholesterin nicht der Beelzebub in der Nahrung ist, wurde übrigens bereits vor einigen Jahren in den österreichischen Ernährungsempfehlungen festgestellt: Nach langer Zeit, in denen der 300-mg-Grenzwert nachgebetet worden war, tauchte im Ernährungsbericht 2008 die Meinung auf, dass drei Eier pro Woche unbedenklich seien. Wenn die US-Behörden ihre Cholesterin-Revolution nun wirklich durchziehen, dann wird diese Beschränkung wohl ganz fallen. Es lebe das Spiegelei!

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

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