Die globale Energiewende

Auch wenn es sich vor einigen Jahren noch niemand so recht vorstellen konnte: Die globale ENERGIEWENDE ist nun Realität, wie aktuelle Studien zeigen.

So kann man sich täuschen: Im Jahr 1994 sagte die Physikerin und damals neue deutsche Umweltministerin, Angela Merkel, dass Sonne, Wasser und Wind „niemals mehr als vier Prozent zur deutschen Stromversorgung beitragen könnten“. Heute sind in Deutschland Wind- und Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 39Gigawatt (GW) installiert – der Strombedarf liegt zwischen 40 und 80GW.

Die Politikerin war mit ihrer Ansicht freilich nicht allein. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostizierte vor zehn Jahren, dass Solaranlagen bis 2050 nicht einmal zwei Prozent der globalen Stromerzeugung ausmachen würden, erinnerte sich Hubert Fechner, Energieforscher an der FH Technikum Wien, kürzlich bei einer Viktor Kaplan Lecture. 2009 habe die IEA diesen Wert allein für Fotovoltaikanlagen auf elf Prozent, im Jahr 2014 auf 16Prozent hinauf revidiert. Man darf wetten, dass auch diese Prognose angesichts der sinkenden Kosten und der immer besseren Technologien von der Realität überholt wird.

Die Energiewende – vor Jahren von Grünen ausgerufen und vielfach als Träumerei belächelt – ist jedenfalls Realität: Das belegen gleich mehrere Studien, die diese Woche veröffentlicht wurden: Laut „Germanwatch“ wurden 2014 weltweit erstmals mehr neue Kraftwerkskapazitäten an erneuerbaren Energien errichtet als an fossilen und atomaren zusammen. Und laut IEA hat sich 2014 die Energieeffizienz weltweit doppelt so stark verbessert wie in den Jahren zuvor. Die Folge: Erstmals in der Geschichte (außerhalb von Rezessionszeiten) ist der globale energiebedingte CO2-Ausstoß nicht mehr weiter gestiegen!

Dass diese Nachrichten diese Woche für keine Schlagzeilen sorgten, ist durchaus verwunderlich. Noch dazu, da die Entwicklung nicht auf Europa beschränkt ist. Auch in China wurden im Vorjahr erstmals mehr Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerke eröffnet als Kohlekraftwerke; und in den USA machte allein die Windenergie 42Prozent der neu errichteten Kapazitäten aus.

Die Lehre daraus: Man sollte niemals den Fehler machen, Entwicklungen aus der Vergangenheit unverändert in die Zukunft fortzuschreiben. Die Welt und unsere Technologien verändern sich. Und man sollte daher richtige Ideen – wie die Energiewende eine ist – niemals vorzeitig abschreiben. Auch wenn es immer noch ein weiter Weg ist, bis unsere Abhängigkeit von Kohle, Erdöl und Erdgas endgültig Geschichte ist.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2015)

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