Ernährungsmythen

Viele halten an fest, auch wenn sie grundfalsch sind. Aus Mangel an Wissen und wegen widersprüchlicher Studien bleibt ihnen auch kaum etwas anderes übrig.

Beim Essen ist jedermann und -frau ein Experte: Viele Menschen sind fest davon überzeugt, dass sie genau wissen, welche Nahrungsmittel gut für sie sind und welche nicht, was gesund ist und was nicht. Diese Selbsteinschätzung ist leider vielfach falsch, wie eine diese Woche bei einem Symposium präsentierte Studie des „forum.ernährung heute“ erneut zeigt. Darin wurden mehr als 500 Österreicher über Ernährungsmythen befragt – etwa, dass man von Zucker zuckerkrank wird, dass ein Glas Rotwein am Tag gesund ist, dass Spinat reichlich Eisen enthält oder dass Essen am Abend dick macht.

15 solche tradierte „Weisheiten“ waren mehr als 75 Prozent der Befragten bekannt, mehr als zwei Drittel der Menschen glaubten auch an sie. Allerdings: Zumindest zehn der Top-15-Mythen sind falsch – etwa dass Kaffee entwässert, dass Eier den Blutcholesterin-Spiegel erhöhen, dass Kohlenhydrate dick machen, dass Schnaps bei der Verdauung hilft oder dass Zusatzstoffe schädlich sind. Bei einigen der 15 bekanntesten Mythen kann man mangels gesicherten Wissens geteilter Ansicht sein – etwa, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel krank machen oder ob Biolebensmittel gesünder sind. Nur bei zwei Ernährungsmythen liegen die Menschen richtig: Vitamine sind lebensnotwendig, und viel Wasser trinken ist gesund.

Um das Wissen über Ernährung ist es also bei Herrn und Frau Österreicher nicht gut bestellt.

Dem scheint freilich ein anderer Befund aus der Umfrage zu widersprechen: nämlich dass mehr als 60 Prozent der Befragten ihren Wissensstand zum Thema Ernährung und Gesundheit als „sehr gut“ oder „eher gut“ einstufen. Das ist aber kein wirklicher Widerspruch, denn die Analyse der Antworten zeigte gleichzeitig, dass vor allem die, die sich gut informiert fühlen, auch jene sind, die am häufigsten an Ernährungsmythen glauben!

Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen, so betonten Experten beim f.eh-Symposium, fehlen den meisten Menschen heute selbst die grundlegendsten Ernährungskompetenzen (weil sie weit weg von der Nahrungsmittelproduktion sind). Zum anderen sind die Nachrichten, die man über Erkenntnisse aus der Ernährungswissenschaft mitbekommt, widersprüchlich – teils weil die Studien oft nur statistische Schlüsse erlauben, teils aber auch, weil in Medien falsch über sie berichtet wird.

In dieser Mischung aus Unwissen und Unsicherheit hält man sich offenbar gern an Mythen fest. So fragwürdig diese auch sein mögen.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2015)

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