Biotechnologie in Österreich

Während der Standort Österreich generell immer mehr schwächelt, kann sich die Biotechnologie sehr gut behaupten. Eine durchaus erstaunliche Entwicklung.

Österreichs Wirtschaft schwächelt. Wie uns diese Woche Ökonomen der WU Wien vorgerechnet haben, droht Österreichs Wohlstand nach und nach zu erodieren: Der Standort verliere seit 2007 an Wettbewerbsfähigkeit, es werde zu wenig in technischen Fortschritt investiert – und all das sei ein „hausgemachtes Problem“, wurde betont.

Es gibt aber gottseidank auch Ausnahmen. Spektakulär ist die Entwicklung etwa in der Biotechnologie. Laut dem eben veröffentlichten „Life Science Report Austria 2015“ ist die Zahl der in den Life Sciences Beschäftigten auf über 51.000 gestiegen, der Branchenumsatz wuchs auf 19,11 Mrd. Euro – was 5,8 Prozent des heimischen BIPs entspricht.

Diese imposanten Zahlen fußen auf exzellenter Forschung: Biotechnologie ist im ständigen Fluss, die Branche ist auf einen ständigen Know-how-Zufluss angewiesen. Und dieser funktioniert derzeit gut: An Österreichs Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen arbeiten fast 20.000 Menschen in den Life Sciences, zudem gibt es an die 59.000 Studenten in diesem Bereich.

Man braucht nur in die Statistiken der Forschungsförderungsfonds zu blicken, die Veröffentlichungen in Wissenschaftszeitschriften zu studieren oder sich die jüngsten Neugründungen von Christian-Doppler-Labors oder Ludwig-Boltzmann-Instituten anzuschauen, um zu sehen, wie fit die heimische Forschung in den Life Sciences ist.

Das ist auch eine Folge davon, dass Österreichs Wirtschaftspolitik zwar spät, aber dann umso konsequenter die Biotechnologie entdeckt hat. Durch gezielte Förderungen ist es gelungen, eine exzellente Grundlagenforschung und eine effektive angewandte Forschung aufzubauen – und zudem eine ganze Reihe erstklassiger Forscher nach Österreich (zurück) zu holen. Es ist nur folgerichtig, dass die Regierung nun gemeinsam mit Universitäten, Forschungsinstituten und der Industrie eine Zukunftsstrategie zur Weiterentwicklung des Life-Science-Standorts ausarbeitet.

Die positive Entwicklung ist umso erstaunlicher, als das Wesen der Biotechnologie eigentlich dem österreichischen Naturell widerspricht: Es handelt sich nämlich um eine Hochrisikobranche – und Herr und Frau Österreicher zählen laut internationalen Studien zu den risikoscheuesten Menschen überhaupt. Doch offensichtlich werden es immer mehr, die sich auf Wagnisse einlassen. Und solang das so ist, ist noch nicht alle Hoffnung für den Standort Österreich verloren.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2015)

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