Stickstoffkreislauf

Der Mensch hat massiv in den Stickstoffkreislauf eingegriffen. Sogar in Hochgebirgsseen findet sich heute Stickstoff, der Tausende Kilometer entfernt als Dünger ausgebracht wurde.

In der Vorwoche war an dieser Stelle von Stickoxid-Emissionen aus Dieselmotoren die Rede. Diese werden ein echtes Problem – als Vorläufersubstanz von Feinstaub und bodennahem Ozon, als saurer Regen und als Beitrag zur Überdüngung der Welt.

Durch die menschliche Aktivität hat sich die Menge an „reaktivem Stickstoff“ (Ammonium, Nitrit, Nitrat) mehr als verdoppelt: Bis vor gut 100 Jahren waren Blitzschläge und die Aktivität bestimmter Bodenbakterien die einzigen Prozesse, die Luftstickstoff in eine reaktive Form verwandeln konnten. Erst durch das Haber-Bosch-Verfahren wurde es möglich, Luftstickstoff auch künstlich in eine Form zu bringen, die für Pflanzen verwertbar ist. Das erlaubte eine dramatische Steigerung der Ernten – ohne diesen Prozess könnte die Weltbevölkerung wohl kaum ernährt werden.

Allerdings nutzen Pflanzen nur einen Teil des Düngers, mit heutigen Methoden verbreitet sich rund die Hälfte in die Umwelt: Als Nitrat wird der Stickstoff in Gewässer ausgespült, in Gasform (Ammoniak, Stickoxide, Lachgas) wird er vom Wind verfrachtet. Es kommt zu einer Überdüngung von Lebensräumen (und dadurch zu einer Abnahme der Biodiversität). Lachgas ist zudem ein starkes Treibhausgas.

Erhöhte Nitrat-Werte findet man daher heute nicht nur in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen, sondern auch weit abseits jeglicher Zivilisation, etwa auf tropischen Inseln oder in abgelegenen Bergregionen. Kanadische Forscher um Katrina Moser haben sich bei alpinen Seen in Utah genau angesehen, aus welchen Quellen der Stickstoff kommt. Gemessen wurde dabei die Verteilung von Stickstoff- und Sauerstoff-Isotopen (die sich durch die Zahl von Neutronen im Atomkern unterscheiden). Dadurch lässt sich unterscheiden, ob die Stickstoffmoleküle in der Luft (durch Blitze oder Verbrennungsprozesse) oder auf der Erde (durch den Abbau von Düngemitteln) gebildet wurden.

Das Ergebnis ist wirklich erstaunlich: Nur 30 Prozent der Nitrate stammen demnach aus natürlichen Quellen. Zehn Prozent kommen aus Autoabgasen – und 60 Prozent aus Düngemitteln (Nature Communications, 8. 2.). Diese Daten zeigen einmal mehr, wie vordringlich eine Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft ist: Je mehr Stickstoff die Pflanzen aus dem Dünger verwerten, umso besser ist das für die Biodiversität, die Luftreinhaltung, den Klimaschutz und das Sauberhalten von Wasser. Hier sind viele Innovationen gefragt!


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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