Die Welt im Transformationsprozess

Anhand von disruptiven Technologien wird greifbar, in welch dramatischem Wandel sich unsere Welt befindet. Angst davor zu haben ist aber sicher der falsche Weg.

Auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen: Die Welt, in der wir leben, befindet sich in einem gigantischen Transformationsprozess. Dass wir schon längst den Weg zu einer Industrie 4.0, der Verschränkung von Produktion mit Computertechnik und Vernetzung, beschreiten und dass das unsere Arbeitswelt revolutionieren wird, ist der Öffentlichkeit mittlerweile klar geworden. Das zeigen die laufenden Debatten über befürchtete Jobverluste und unsinnige „Maschinensteuern“.

Bei den heurigen Alpbacher Technologiegesprächen wurde deutlich, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist: Auch alle anderen Lebensbereiche sind in völligem Umbruch. Forscher benutzten bei den Debatten in den Tiroler Bergen Schlagwörter wie Gesellschaft 4.0, Governance 4.0, Bildung 4.0 (als nötige Anpassungsstrategien) – aber auch Absolutismus 4.0 oder Despotismus 2.0 (als mögliche Schreckensszenarien).

Am klarsten greifbar wird der Wandel in „disruptiven Technologien“, also grundlegenden Neuerungen, die als „Game Changer“ in einem Bereich fungieren können (wie etwa Antibiotika oder Smartphones). Eine gelungene Zusammenfassung dessen, was im Detail auf uns zukommen könnte, ist „Meta Scan 3“, eine von kanadischen Forschern erarbeitete Auflistung von 88Zukunftstechnologien, die jede für sich das Potenzial besitzt, die Welt in den nächsten 15 Jahren zu verändern (www.forschungsatlas.at/emerging-technologies). In der Liste finden sich u. a. Mikro-Sterling-Motoren (zur Nutzung von Abwärme), auxetische Materialien (die sich quer zur angewandten Kraft ausdehnen), der Druck von Organen (als „Ersatzteile“ bei Krankheiten), In-vitro-Fleisch, Neurofeedback oder die automatische Erkennung von Emotionen (z. B. bei Personen in einer Menschenansammlung).

Was sich davon wirklich realisieren wird, welche anderen disruptiven Technologien auftauchen und wie diese am Ende unser Leben verändern werden, wissen wir heute nicht. Wer anderes behauptet, ist ein Scharlatan.

Sicher sind aber drei Dinge: Erstens wird der Transformationsprozess, in dem wir uns gerade befinden, die Welt binnen weniger Jahrzehnte stärker verändern, als sie sich in den 200 Jahren seit der industriellen Revolution verändert hat. Zweitens: Ob wir wollen oder nicht, müssen wir uns viel intensiver als bisher mit dem Wandel auseinandersetzen. Und drittens: Angst ist dabei ein schlechter Ratgeber – denn zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum-Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2016)

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