Methanhydrat

Vor 45 Jahren wurde im Meeresgrund Methanhydrat entdeckt. Das ist eine Verbindung, die für die Forschung noch so manche Rätsel bereithält.

Anno 1971 stieß man bei Bohrungen auf dem Grund des Schwarzen Meeres auf eine sonderbare Substanz, die ähnlich wie Eis aussah, aber brennbar war: Methanhydrat, auch brennendes Eis genannt. Dabei handelt es sich um eine Einlagerungsverbindung (Clathrat), bei der Methanmoleküle in einen Käfig aus Wassermolekülen eingelagert sind.

Methanhydrat entsteht nur unter sehr speziellen Umständen: bei mehr als 20 Bar und zwei bis vier Grad Celsius – Bedingungen, wie sie in bestimmten Meerestiefen herrschen. Methan kann dort aus Sedimenten stammen oder wird durch Bakterien gebildet. Bei höheren Temperaturen, niedrigeren Drücken oder einer veränderten chemischen Zusammensetzung des Meerwassers zersetzt sich Methanhydrat, und das Methan wird wieder frei. Schätzungen zufolge lagern weltweit auf dem Meeresgrund ähnlich große Mengen Methan(-Hydrat) wie in allen Erdgasfeldern.

Seit Jahrzehnten wird daran geforscht, diese Ressource auszubeuten. Japan machte 2013 nach dem Abschalten der AKWs (wegen Fukushima) einen Praxistest und gewann tatsächlich Methan aus dem Meer. Allerdings zu extrem hohen Kosten. Derzeit gibt es – Umweltschützer meinen: Gott sei Dank – kein wirtschaftliches Verfahren zum Abbau.

Die Substanz macht indes auch Sorgen: Wegen der Klimaerwärmung könnte Methanhydrat instabil werden. Laut dem diese Woche vom Weltnaturschutzbund IUCN veröffentlichten Bericht „Explaining Ocean Warming“ könnten die Folgen dramatisch sein: Methan ist ein starkes Treibhausgas, das frei werdende Gas könnte den Klimawandel verstärken. Weiters könnte durch dessen mikrobiellen Abbau die Versauerung der Meere beschleunigt werden. Zudem könnten Kontinentalabhänge instabil werden (weil Methanhydrat Sedimente wie ein Kitt zusammenhält); die Folge wären Hangrutschungen unter Wasser, die Tsunamis auslösen könnten.

Allerdings enthält der Bericht viele Unwägbarkeiten. Denn allzu viel gesichertes Wissen über Methanhydrat gibt es nicht. Die Wissenschaft hat noch viele Hausaufgaben zu machen und wird dabei wohl auch viele der Mythen, die sich um Methanhydrat ranken, aufklären. So vermuten manche, dass das Verschwinden von Schiffen im Bermudadreieck auf aufsteigendes Methan zurückzuführen sei: Wenn sich viele Gasblasen im Wasser befinden, sinkt dessen Dichte – und Schiffe können nicht mehr schwimmen. Das klingt zwar einleuchtend. Doch ob es wirklich so ist, weiß derzeit niemand.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2016)

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