Mongolei

Im Wiener Theseustempel erzählen derzeit buddhistische Alltagsgegenstände aus der Mongolei ihre Geschichten: eine sehenswerte Konfrontation mit dem Fremden.

Es ist eine fremde Welt, in die man derzeit im Theseustempel im Wiener Volksgarten eintauchen kann: In der Ausstellung „Nomadic Artefacts“ wird ein gutes Dutzend Objekte gezeigt, die vor mehr als 100 Jahren aus der Mongolei nach Wien gelangten. Etwa drei Schulterblätter von Schafen, auf die tibetische Sprüche geschrieben sind. Diese Knochen repräsentierten den Geist der Tiere, erläutert ein mongolischer Wissenschaftler in einem kurzen Video. Unter stilisiertem mongolischen Himmel gibt es weiters Götterfiguren, Schmuck, Tsam-Tanz-Figuren, einen Hausaltar und eine Gebetsmühle zu sehen.

Diese Stücke sind keine hochkarätigen Kunstwerke, sondern buddhistische Objekte des alltäglichen Gebrauchs. Oder genauer gesagt: Sie wurden seinerzeit für kultische Zwecke verwendet. Denn nachdem die Mongolei 1924 der zweite kommunistische Staat der Welt geworden war, wurde Religion abgeschafft, die fast 1000 Klöster wurden zugesperrt und größtenteils zerstört. Nur einige wenige blieben als Museen erhalten. Im Geheimen wurden die alten Traditionen freilich weiter gepflegt, nach dem Ende des Kommunismus entstanden neue Klöster – derzeit sind es an die 100.

Vor diesem Hintergrund hat sich Maria Katharina Lang, Forscherin am Institut für Sozialanthropolgie der ÖAW, die Wiener Mongolei-Sammlung neu angesehen. Der Privatgelehrte Hans Leder (eigentlich Entomologe, später auch Ethnologe) hatte die Objekte von vier Mongolei-Reisen zwischen 1899 und 1906 mitgebracht und an europäische Museen verkauft, um sein karges Leben zu finanzieren. Lang hat die 811 erhaltenen Objekte der Leder-Sammlung im Wiener Weltmuseum (ehem. Völkerkundemuseum) in jahrelanger Detailarbeit neu dokumentiert (www.moncol.net). Nun ist sie in enger Zusammenarbeit mit mongolischen Kollegen einen Schritt weitergegangen und erzählt die Geschichten hinter den Objekten – vor allem, was sie für das Leben der heutigen Mongolen bedeuten (https://nomadicartefacts.net). Man muss sich für die Ausstellung, so klein sie auch ist, Zeit nehmen und all die Informationen wirken lassen – man wird dafür reich belohnt (tägl. 11–18 Uhr, Eintritt frei).

Die noch bis 9. Oktober laufende Schau ist übrigens das einzige Lebenszeichen, das das Weltmuseum heuer von sich gibt. Dieses ist nämlich, wie es Direktor Steven Engelsman ausdrückt, zurzeit das „geschlossenste und unsichtbarste Museum Wiens“. Man will nach der Wiedereröffnung 2017 mehr Ausstellungen dieser Art sehen!


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)

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