Die Erfindung der Fotografie

Die Erfindung der Fotografie – oder: Wie eine neue Technologie zu einer Koexistenz mit der alten Technik der Malerei fand. Ohne Scharmützel ging das allerdings nicht.

Die Ausstellung „Inspiration Fotografie“ im Unteren Belvedere ist, wie schon bei deren Eröffnung berichtet, ein großer Wurf. Anhand von Gemälden von Makart, Klimt und Co. wird gezeigt, dass der Einfluss der Fotografie auf die Malerei gar nicht überschätzt werden kann. Maler sammelten Fotografien, Maler verwendeten Fotografien (als Vorlagen) und Maler fotografierten auch selbst.

Man kann die Ausstellung, die noch bis kommende Sonntag (30. 10.) zu sehen ist, freilich auch anders als durch eine kunsthistorische Brille lesen: als Geschichte einer neuen Technologie. In der Anfangszeit der Fotografie zählte Wien zu den Innovationszentren. Unmittelbar nachdem Louis Daguerre seine Erfindung praxisreif gemacht hatte, schickte er 1839 erste Lichtbilder nach Wien. Die Menschen staunten, sofort machten sich findige Köpfe daran, die Technik zu verbessern. Der Mathematiker Josef Petzval berechnete ein lichtstarkes Objektiv, das Peter Voigtländer 1841 auf den Markt brachte. Mit großem Erfolg: Die Belichtungszeit konnte von zuvor einer halben Stunde auf unter eine Minute gesenkt werden. Nun waren auch Porträtfotos möglich, der Konkurrenzkampf mit der Malerei war eröffnet.

Die neue Technologie hatte aber ihre Tücken. Als Gustav Jägermayer 1863 zu einer Fotoexpedition auf den Großglockner aufbrach, benötigte er 18 Träger, Führer und Begleiter. Man musste sogar ein eigenes Dunkelkammerzelt mitschleppen, in dem die 30 mal 50 Zentimeter großen Glasplatten zuerst lichtempfindlich gemacht und dann entwickelt wurden. Vor solchen technischen Hürden schreckten viele Maler zurück. August von Pettenkofen z. B. ließ fotografieren: Er sandte Fotografen mit genauen Anweisungen über Motive und Blickwinkel aus, nach diesen Vorlagen malte er im Atelier.

Bei neuen Technologien ist natürlich auch immer interessant, ob und wie rasch sie alte Techniken verdrängen. Das ist in diesem Fall offensichtlich nicht geschehen: Fotografie und Malerei entwickelten unterschiedliche Zugänge, wie man die Welt und alles, was in ihr ist, abbilden kann. Doch bis diese Koexistenz gefunden war, wurden so manche Scharmützel ausgetragen. Auch durch einen Preiskampf: 1856 affichierte ein Maler unter dem Titel „Billiger als Photographien“ eine Anzeige, dass er „kleinere Porträts in Öl, den höchsten Forderungen entsprechend, und meistens in einer Sitzung fertig gemalt“ anfertige.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2016)

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