Nachleben nach dem Tod

Wie die Verklärung Franz Josephs I. zu einem dauerhaften Mythos vonstattengegangen ist, wurde nun von Kulturhistorikern nachgezeichnet.

Von Franz Joseph I. blieb nach seinem Tod, der sich morgen zum 100. Mal jährt, vor allem eines: ein Mythos, der den Kaiser zum pflichtbewussten Landesvater, zum strengen und konservativen Garanten von Stabilität, zum charismatischen Symbol für die Habsburgermonarchie machte. Bildlich repräsentiert wird das durch ein „Greisenhaupt mit weißem Bart und gütigem Lächeln“, formuliert der Kulturhistoriker Werner Telesko in „Der verklärte Herrscher“ (Praesens Verlag, 133 S., 19,40 €). In diesem Buch, das morgen bei einem Workshop an der Akademie der Wissenschaften (ab 14 Uhr) präsentiert wird, zeichnen Telesko und der Musikhistoriker Stefan Schmidl die Entstehung des Mythos nach.

Die Verklärung Franz Josephs folgte demnach alten Mustern, die in die Zeit des ersten österreichischen Kaisers Franz II./I. zurückreichen. Mit der Inszenierung wurde jedenfalls schon lang vor seinem Tod begonnen – in Kalendern, Liedern, Schulbüchern, Walzern, Kaiserjubiläen, Fotos, Film- und sogar Tonaufnahmen. So wurde z. B. 1898 vor dem Schloss Schönbrunn eine „Kinderhuldigung“ abgehalten, bei der 80.000 Wiener Schulkinder ein Festspiel darbrachten – zu dem der Kaiser huldvoll lächelte. Die opulenten Begräbnisfeierlichkeiten waren dann „nur mehr“ ein wirkungsvoller Schlusspunkt der Inszenierung.

Erst später entstand ein zweites Stereotyp – das aber nicht so wirkmächtig ist: das des jugendlich-romantischen Kaisers an der Seite seiner Frau Elisabeth. Geprägt wurde dieses Bild im Singspiel „Sissys Brautfahrt“ (1931) und der darauf aufbauenden „Sissi“-Filmtrilogie (1955–1957).

Diese beiden Vorstellungsbilder überdecken freilich die Vielschichtigkeit der Person: Dass unter Franz Joseph etwa das allgemeine Wahlrecht für Männer (noch vor Großbritannien) eingeführt wurde oder dass er Karl Lueger als Wiener Bürgermeister wegen dessen Antisemitismus ablehnte, könne zwar in historischen Werken nachgelesen werden – es passe aber nicht in den etablierten Mythos und werde daher verschwiegen, merken die beiden Literatur- und Sprachforscher Sigrid Schmid-Bortenschlager und Georg Schmid an.

Solche Aspekte nun vor den Vorhang geholt zu haben, ist das bleibende Verdienst der heurigen Großausstellungen in Schönbrunn (bzw. Hofmobiliendepot und Niederweiden) und in der Nationalbibliothek. Nur mehr bis kommenden Sonntag besteht die Gelegenheit, die Franz-Joseph-Mythen im eigenen Kopf zu zertrümmern.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

(Print-Ausgabe, 20.11.2016)

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