Mondholz

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Viele Menschen sind überzeugt, dass Mondholz, das zu bestimmten Zeiten gefällt wurde, höhere Qualität aufweist: einige Anmerkungen über Glauben und Wissen.

Laut gängigen Mondkalendern sind die nächsten Tage ideal für hochqualitatives Holz: Bäume, die bei Neumond (am Dienstag) gefällt werden, liefern perfektes Bauholz, heißt es. Bei abnehmendem Mond in gewissen Tierkreiszeichen (z. B. heute) geschlägertes Holz faule nicht. Die nächsten Tage gelten als perfekt, um Brennholz einzulagern. Viele Menschen sind felsenfest davon überzeugt, dass Mondphasenholz überlegen ist – dass es z. B. härter, schädlingsresistenter oder gar „unbrennbar“ (sic!) ist. Argumentiert wird damit, dass das jahrhundertealtes Wissen und tausendfach erprobt sei. In ihrer Überzeugung bestärkt sehen sich Mondholzfans außerdem durch die Wissenschaft. Genauer gesagt: durch die Arbeit eines einzigen Schweizer Forschers. Ernst Zürcher konnte in einem (seriösen) Versuch nachweisen, dass Fichtenholz, das im Winter bei abnehmendem Mond gefällt wurde, nach dem Trocknen dichter war und weniger Wasser aufsaugte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


30 Prozent teurer

Diesen Befund zu generalisieren ist nicht angebracht. In seinem eben erschienenen Buch „Die Bäume und das Unsichtbare“ (240 Seiten, 25,70 Euro, AT-Verlag) macht Zürcher darauf aufmerksam, dass „diese Phänomene komplexer sind, als es die traditionellen Regeln vermuten lassen“. Die Schwankungen im Zusammenhang mit Mondphasen seien viel schwächer als die Unterschiede, die auf den Standort und die Art der Waldbewirtschaftung zurückzuführen sind. Zudem verhalten sich verschiedene Baumarten völlig unterschiedlich. Zürcher vermutet einen Einfluss des Mondes auf die Wasserstruktur. Weiter will er aber nicht spekulieren, denn Beweise hat er keine. Eine Ableitung der physikalischen und biologischen Kräfte sei noch auszuarbeiten, schreibt er vorsichtig.

Solche Vorsicht ist mondholzbeseelten Sägern und Käufern fremd: Sie glauben an ihre Sache – und verlangen bzw. bezahlen bedenkenlos mehr Geld (nämlich um bis zu 30 Prozent). Ist Mondholz also Scharlatanerie und Geschäftemacherei? So weit sollte man nicht gehen: Zum einen gibt es vereinzelte empirische Belege, dass Mondphasen eine Rolle spielen. Zum anderen muss ein Phänomen nicht notwendigerweise falsch sein, nur weil es auf altem Erfahrungswissen beruht und wissenschaftlich zurzeit nicht erklärbar ist.

Wirklich wissen tun wir es aber nicht. „Des Menschen Wille, zu glauben, ist unerschöpflich“, formulierte der große US-Philosoph Thomas Nagel kürzlich so schön.
Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“. ?

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2016)

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