Die Fische passen sich an

Der Hunger der Welt nach Fisch führt zu einer Übernutzung der Bestände. Doch die Natur weiß sich zu wehren: Die Fische passen sich mit überraschenden Strategien an.

Fisch gilt als gesund, der Konsum steigt. Auch in Österreich: Hierzulande werden pro Kopf und Jahr acht Kilogramm verzehrt – die Tendenz ist (nicht nur zu Weihnachten) steigend. Nur gut fünf Prozent stammen aus heimischer Produktion. Auch wir tragen also zur Überfischung der Meere bei. Allen Schutzabkommen und Fischfangquoten zum Trotz ist laut FAO rund ein Drittel aller Fischbestände übernutzt – Forscher haben berechnet, dass ein Kabeljau/Dorsch im Nordostatlantik alljährlich einer 49-prozentigen Wahrscheinlichkeit ausgesetzt ist, in einem Fischernetz zu landen. Viele Populationen werden daher zusammenbrechen, warnt der WWF.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn einige Fischpopulationen haben sich angepasst: Die Tiere sind heute kleiner als noch vor einigen Jahrzehnten, sie wachsen schneller und werden früher erwachsen. Polardorsche z. B. sind derzeit um zehn Zentimeter kürzer als vor 50 Jahren, sie sind schon mit sechs (anstatt neun) Jahren ausgewachsen. Ähnliche Daten gibt es u. a. auch für Schollen.

Für diese Entwicklung werden zwei Ursachen vermutet. Zum einen sinkt die Konkurrenz in einem Fischschwarm, wenn die Sterblichkeit (durch den massenhaften Fang) erhöht ist; die Tiere wachsen dadurch rascher, brauchen aber nicht so groß zu werden, um sich durchsetzen zu können. Zum anderen schlägt auch die Evolution zu: Bei den derzeitigen Fangmethoden werden bevorzugt größere Fische gefangen, diese fehlen dann im Genpool – daher pflanzen sich vorwiegend kleinere Fische fort und die Durchschnittsgröße im Fischschwarm sinkt. Wie Forscher am IIASA in Laxenburg um Anne Maria Eikeset nun zeigen konnten, spielen beide Effekte eine Rolle (PNAS, online 9. 12.).

Welcher Mechanismus stärker ist und welche langfristigen Folgen das hat, hängt von den konkreten Bedingungen ab: Der nordostatlantische Kabeljau/Dorsch konnte durch die Anpassung dem steigenden Befischungsdruck besser standhalten – zumindest bisher. Bestände vor Neufundland sind hingegen zusammengebrochen.

Die Evolution vermag offenbar so manche Sünde des Menschen abzumildern. Dennoch sollten wir den Bogen keinesfalls überspannen. Werden durch geänderte Fangmethoden nicht mehr ausschließlich die größten Exemplare herausgefischt, könnten sich die Populationen wieder normalisieren. Wenn nicht, dann setzt sich die „Verzwergung“ fort – was im Endeffekt auch die Fischer trifft, deren Erträge kleiner und kleiner werden.?

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

(Print-Ausgabe, 18.12.2016)

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