Besondere Zahlen

Manchen Zahlen – wie etwa dem Goldenen Schnitt – werden besondere Bedeutungen zugeschrieben. Diese gelten allerdings nicht so universell wie gedacht.

Wann der Mensch zu zählen begonnen bzw. die Zahlen „erfunden“ hat, liegt im Dunkel der Geschichte. Neben ihrer Funktion als Recheneinheiten wurden und werden den Zahlen auch bestimmte Bedeutungen zugeschrieben – die Zahl drei z. B. gilt als göttliche Zahl, vier steht (nicht nur zu Silvester) für Glück, 13 für Unglück usw.
Schon in der Antike wurde entdeckt, dass es nicht nur „natürliche“ (bzw. ganze) Zahlen gibt, sondern auch „rationale“ Zahlen (Bruchzahlen) und „irrationale“ Zahlen (mit unendlich vielen Stellen hinter dem Komma). Glaubt man Historikern, dann ist Phi (1,618033988749. . .) die am frühesten entdeckte irrationale Zahl. Definiert ist sie als ein bestimmtes Teilungsverhältnis einer Strecke: Die Gesamtstrecke verhält sich zum längeren Teil wie der längere Teil zum kürzeren Teil. Dieses Verhältnis wird auch als „Goldener Schnitt“ bezeichnet, es gilt gemeinhin als besonders ästhetisch und findet sich in der Mathematik etwa in Fünfecken, in der Natur in Spiralen und (zumindest ungefähr) in vielen Kunstwerken wieder.

Der Zahl Phi wird also eine besondere Bedeutung zugesprochen – die in der noch bis Ende Februar laufenden Sonderausstellung „Göttlich Golden Genial. Weltformel Goldener Schnitt?“ im Museum für Kommunikation Berlin thematisiert wird. Zusammen mit dem wunderbaren Begleitbuch (224 S., 30,80 Euro, Hirmer Verlag) bietet die Schau nicht nur ungeahnte Blicke auf die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, sondern auch eine überraschende Antwort auf die im Titel gestellte Frage: Die Behauptung, dass der Goldene Schnitt universell die Essenz der Schönheit sei, ist nämlich falsch. Dieses (Vor-)Urteil stammt aus Untersuchungen aus dem späten 19. Jahrhundert; deren Ergebnis konnte aber in jüngst durchgeführten Studien mit Hunderten Teilnehmern nicht verifiziert werden. Vielleicht, so mutmaßen die Forscher, war die seinerzeitige Untersuchung nicht so objektiv wie gedacht? Oder hat sich vielleicht seither unser Schönheitsideal verändert?

Die Phi zugeschriebene Bedeutung scheint also eine starke kulturelle Komponente zu haben – ähnlich wie es auch bei anderen „besonderen“ Zahlen sein dürfte. Klagenfurter Forscher um Holger Roschk konnten kürzlich etwa zeigen, dass die Preise von Gütern in Asien sehr häufig mit der Ziffer acht enden – und nicht wie bei uns mit neun. Der Grund dafür liegt in der chinesischen Kultur: Dort gilt acht als Glückszahl.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

(Print-Ausgabe, 08.01.2017)

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