Wort der Woche

Biologische Feinstaubquellen

Neben den menschengemachten gibt es auch biologische Feinstaubquellen. Wie groß deren Bedeutung für die Belastung der Atemluft ist, ist derzeit nicht klar.

Nach meiner Kolumne vorigen Sonntag über Feinstaub wurde ich von mehreren Lesern gefragt, was denn nun die bedeutsamsten Quellen jener Partikel seien, die tief in die Lunge eindringen und Atemwege und Herz-Kreislauf-System schädigen können. Die Antwort ist nicht ganz einfach, denn die Hauptursachen können je nach Situation sehr unterschiedlich sein. In strengen Wintern, wenn die Belastung hoch ist und die Grenzwerte häufig überschritten werden, gibt es drei ungefähr gleich wichtige Feinstaubschleudern: Straßenverkehr, Industrie und Hausbrand (sprich: Heizen). Größere Partikel (PM10; Durchmesser unter zehn Mikrometer) entstehen vermehrt durch Hausbrand, kleinere Partikel (PM2,5) durch den Verkehr.

In wärmeren Jahreszeiten spielt hingegen – zusätzlich zum Verkehr – ein ganz anderer Faktor eine bedeutsame Rolle: die Landwirtschaft, und da insbesondere Ammoniakemissionen. Dieses Gas wird v. a. in der Tierzucht freigesetzt, es dampft aus Exkrementen aus (Ammoniak ist mitverantwortlich für den beißenden Gestank von Misthaufen) und bildet unter dem Einfluss von UV-Licht gemeinsam mit anderen Luftschadstoffen Partikel.

Beteiligt sind indes noch weitere biologische Phänomene. Zum einen geben Pflanzen flüchtige organische Substanzen ab – etwa Isoprene, Dimethylsulfid oder Monoterpene (die für den Waldduft sorgen); auch aus diesen Gasen kann durch fotochemische Prozesse Feinstaub entstehen. Zum anderen gibt es viele biologische Partikel in Feinstaubgröße, z. B. Schimmelpilzsporen, Pflanzenteile, Bakterien oder Viren, die vom Wind aufgewirbelt werden können. (Pollenkörner zählen nicht zum Feinstaub, sie sind meist größer.) Forscher um Young Soo Joung (MIT) haben nun herausgefunden, dass Bakterien sogar durch Regentropen aus dem Boden herausgeschleudert und Hunderte bis Tausende Kilometer weit verfrachtet werden können, bevor sie wieder zu Boden sinken (Nature Communications, 7.3.).

Wie bedeutsam diese natürlichen Prozesse für die Feinstaubbelastung sind, ist derzeit nicht wirklich klar – es gibt Schätzungen, dass zehn bis 30 Prozent der Partikel diesen Quellen entstammen. Die meisten biologischen Feinstaubquellen können wir freilich nicht beeinflussen. Mit einer großen Ausnahme: Würden wir weniger Fleisch essen, wäre das nicht nur gesünder und würde die Klimaerwärmung dämpfen – es würde überdies die Menge an Feinstaub in unserer Atemluft senken.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2017)

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