Wort der Woche

Globalisierung der Dinge

Für eine Globalisierung der Dinge braucht es den Menschen gar nicht – auch durch natürliche Prozesse können Materie und Leben rasch über die ganze Welt verteilt werden.

Der Mensch hat viele natürliche Grenzen überschritten. Durch den Welthandel werden riesige Materialströme rund um den Globus verteilt – von Energieträgern und Rohstoffen bis hin zu T-Shirts und Computern. Mit vielen Gütern werden indirekt auch gigantische Mengen Wasser, die zu deren Produktion benötigt werden („virtuelles Wasser“), über die ganze Erde transportiert. Sogar Grund und Boden, auf dem Pflanzen wachsen, wird in Form von Lebensmitteln in großem Stil umverteilt. Zudem ist der Mensch ein sehr effektives Vehikel bei der Verpflanzung von Tier- und Pflanzenarten in andere Weltgegenden – ob gewollt wie etwa bei vielen Gemüse- oder Blumensorten, ob ungewollt wie etwa im Fall der Reblaus oder des Marderhundes, der, wie Forscher der Vet-Med-Uni herausgefunden haben, gefährliche Krankheiten von Tieren auf den Menschen übertragen kann (Parasitology Research, 24. 2.).

Doch eine rasche Globalisierung von Dingen und Lebensformen gibt es auch ohne uns Menschen – durch völlig natürliche Prozesse. Man denke etwa an die Vogelgrippe: Deren Erreger, H5N8-Viren, werden durch Zugvögel über weite Strecken verschleppt, weswegen kürzlich Millionen heimischer Legehennen in ihre Ställe verbannt wurden und 20 Krauskopfpelikane im Tiergarten Schönbrunn eingeschläfert werden mussten. Ein anderes Beispiel, wie klein die Erde eigentlich ist, ist die weltweite Ausbreitung von Luftschadstoffen – etwa von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) aus Europa und Nordamerika, die die Ozonschicht über der Antarktis ausdünn(t)en.

Diese Woche haben italienische und österreichische Forscher auf einen weiteren natürlichen Globalisierungsmechanismus hingewiesen: auf den Wind. Bekannt ist, dass alljährlich Zigmillionen Tonnen Staub aus der Sahara nach Südamerika geweht werden und die dortigen nährstoffarmen Regenwälder düngen. Dass mit dem aufgewirbelten Staub auch zahlreiche Lebensformen mittransportiert werden, ist aber dann doch ziemlich überraschend: Das Wissenschaftlerteam konnte nachweisen, dass sich in den Ablagerungen eines Saharastaubsturms vom 19. Februar 2014 im Schnee der Dolomiten viele lebensfähige Bakterien befinden. Und zwar nicht nur einzelne besonders widerstandsfähige Keime, sondern ganze Mikrobengemeinschaften (Microbiome 5, 32). Ob dabei auch relevante Mengen etwaiger Krankheitserreger zwischen den Kontinenten ausgetauscht werden, muss noch geklärt werden.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2017)

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