Wort der Woche

Mikroplastik

Mikroplastik im Meer ist seit einigen Jahren ein Dauerthema. Das dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein – denn auch in Böden und ihren Bewohnern finden sich große Mengen.

Mikroplastik ist mittlerweile allgegenwärtig: In praktisch jeder Wasserprobe aus Ozeanen findet man mikroskopisch kleine Partikel aus Kunststoffen – egal, ob Fasern, Mikroplastikkügelchen aus Kosmetika etc. oder Abbauprodukte von Plastiksackerln oder -flaschen. Wie deutsche Forscher diese Woche bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien berichteten, werden alljährlich 39.000 Tonnen Kunststoffe über Flüsse ins Meer gespült – der Großteil davon in Asien. In der Nahrungskette reichert sich Mikroplastik an, es landet schließlich also auch in uns Menschen. Welche Konsequenzen das für die Umwelt und alle Organismen hat, ist großteils unbekannt.

Mikroplastik im Meer scheint aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Immer deutlicher wird nämlich, dass Mikroplastik auch in terrestrischen Lebensräumen ein großes Thema ist: Auch in Böden finden sich kleine und kleinste Plastikpartikel – und diese Mengen dürften laut vorsichtigen Schätzungen viel größer als jene in Gewässern sein. Aber so genau weiß man das derzeit nicht; es ist nicht einmal ganz klar, durch welche Prozesse Plastikmüll im Boden zerkleinert und langsam abgebaut wird. Und zwar sehr langsam: Bis z. B. eine Plastikflasche vollständig in ihre chemischen Bausteine zerlegt ist, vergehen Jahrhunderte.

Noch weniger weiß man über das Verhalten der Plastikpartikel im Boden. Mexikanische und niederländische Wissenschaftler haben nun beim Wiener Geologenkongress eine Studie vorgestellt, die einen ersten Eindruck gibt. Untersucht wurden dabei zehn Hausgärten in der mexikanischen Stadt Campeche, wo – wie in vielen Teilen der Welt üblich – die Bewohner ihren Müll verbrennen und die Reste einfach vergraben. In einem Gramm Gartenerde konnte dort zumindest ein Plastikpartikel nachgewiesen werden. Das klingt nicht nach viel, aber es ist die Basis für eine starke Anreicherung in der Nahrungskette: In Regenwürmern, die sich durch das Erdreich fressen, wurden schon 15 Partikel pro Gramm Lebendgewicht nachgewiesen; im Kot von Hühnern, die diese Würmer aufpickten, 130 Partikel je Gramm. Die Plastikmengen, die in Mägen und Kröpfen der Hühner gefunden wurden, seien ein großes Risiko für die menschliche Gesundheit, warnen die Forscher.

Es scheint also, dass hier eine nächste Lawine an beunruhigenden Fakten über den schädlichen Einfluss des Menschen auf die Umwelt im Anrollen ist.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2017)

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