Wort der Woche

Biotechnologie der etwas anderen Art

Wie die Natur als Ausgangsmaterial und Ideengeber für bessere Technologien fungiert. Man kann etwa aus Indigo Schaltkreise bauen.

Unter Biotechnologie versteht man gemeinhin das Nutzen der Stoffwechselfähigkeiten von Mikroorganismen für unsere Zwecke – sei es, um Bier zu brauen, Abwasser zu reinigen oder Medikamente herzustellen. In jüngster Zeit wurden aber auch Beispiele einer ganz anderen Art publik, wie die Biologie für die Technik Pate steht. So fanden australische, portugiesische und spanische Forscher ein neues Einsatzgebiet für Zellulose: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass der Hauptbestandteil von Holz nach einer thermischen und mechanischen Behandlung piezoelektrische Eigenschaften hat. Das bedeutet, dass sich in Zellulose eine elektrische Spannung aufbaut, wenn sie verformt wird. Das lässt sich z. B. für magnetoelektrische Sensoren oder für neuartige Computerspeicher nutzen, die nicht aus Silizium oder anderen aufwendig hergestellten Halbeitern bestehen, sondern aus einem erneuerbaren bioabbaubaren Material (Nature Communications, 28. 6.). Die Wissenschaftler vermuten, dass auch in anderen Biomaterialien wie etwa Proteinen interessante Eigenschaften schlummern.

Einer solchen Substanz widmet man sich an der Universität Linz: Dort werden aus dem Farbstoff Indigo (der Blue Jeans blau macht) elektrische Schaltkreise gebaut – ebenfalls anstelle von Silizium. Das ist zwar auch schon mit anderen Polymeren möglich; der entscheidende Vorteil sei aber, dass Indigo gegen Sauerstoff und Wasser beständig ist, erläutert der Linzer Chemiker Serdar Sarıçiftçi. Dadurch sind biokompatible Implantate denkbar, die im menschlichen Gewebe Rechenaufgaben z. B. für Steuerungen durchführen können.

Noch staunenswerter ist eine biobasierte Erfindung italienischer Forscher: Sie haben einen von Bakterien angetriebenen Mikromotor gebaut. Dazu wurden Mikroorganismen, die aus Licht Energie gewinnen, an eine schaufelradartige Struktur angeheftet – und zwar so, dass alle in dieselbe Richtung orientiert sind. Sie schwimmen daher alle Seite an Seite und treiben dadurch einen Rotor an. Den Forschern ist es sogar gelungen, die Umdrehungsgeschwindigkeit dieser Rotoren durch die Beleuchtungsstärke zu steuern (Nature Communications, 28. 6.). Im nächsten Schritt soll nun getestet werden, ob diese biohybriden Maschinen als Antrieb für Mikroroboter geeignet sind.

Man sieht: Biologie bietet viele Möglichkeiten für umweltfreundlichere Technologien. Wir müssen nur etwas genauer auf die Natur hinschauen.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2017)

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