Wort der Woche: Nanosilber

Um Nanosilber ist eine neue Kontroverse entbrannt: Der breite Einsatz in Konsum- produkten gerät unter Beschuss. Zu Recht.

Die Wirkung von Substanzen auf Körper und Umwelt hängt nicht nur von der chemischen Zusammensetzung ab, sondern auch von der Größe: Wenn Partikel immer kleiner werden, dann bekommen sie ab einem bestimmten Punkt andere Eigenschaften. So wird etwa das Verhältnis Oberfläche zu Volumen (bzw. Gewicht) immer größer – dadurch erhöht sich die reaktive Oberfläche. Auch treten plötzlich Quanteneffekte auf. Und in Lebewesen verteilen sich Nanopartikel anders als größere Teilchen. Die „Nanotechnologie“ eröffnet dadurch – ziemlich unbemerkt vom Endverbraucher – viele neue Möglichkeiten: für bessere Werkstoffe, wirksamere Medikamente oder kleinere Computerbausteine. Aber auch immer mehr Produkte des täglichen Lebens enthalten „Nano“ – manchmal wird mit ihnen offensiv geworben, manchmal werden sie aber nicht einmal gekennzeichnet.

Allerdings ist nicht immer sicher, ob das wirklich ein Fortschritt ist. In Diskussion ist derzeit „Nanosilber“ – Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SP) hat diese Woche sogar ein Verbot von Nanosilber in Konsumprodukten gefordert. Seit Langem ist bekannt, dass Silberionen für Mikroorganismen schon in kleinen Konzentrationen giftig sind, für Säugetiere und Menschen hingegen erst in großen Mengen. Die Wirkung wird immer stärker, je kleiner die Silberpartikel werden. Für die Medizin ist das in vielen Bereichen, in denen Bakterien und Pilze abgetötet werden sollen, ein Segen. Nanosilber erobert derzeit aber auch Konsumprodukte – von Körpercremen und Deodorants über Kühlschränke mit keimtötenden Oberflächen bis hin zu Textilien, die trotz Schweiß nicht mehr riechen. In den Augen vieler Experten ist das problematisch, weil man den jeweiligen Zweck auch mit herkömmlichen Methoden – sprich: waschen – erreichen kann .

Bedenklich stimmen mehrere Punkte: Erstens ist Nanosilber auch für Wassertiere toxisch – à la longue landet jede Körpermilch oder Textilbeschichtung im Abwasser. Zweitens ist Vorsicht im breiten Einsatz geboten, solange man nicht genau weiß, wie sich Nanopartikel im Körper und in den Zellen verhalten – die Forschung dazu ist noch nicht abgeschlossen. Und: Bakterien können gegen Nanosilber (so wie gegen Antibiotika) resistent werden – wodurch die Waffen der Medizin irgendwann nicht mehr wirken, wenn man sie dringend benötigt.

Fazit: Der Einsatz neuer Technologien muss wohlüberlegt sein. Man braucht nicht mit (technologischen) Kanonen auf Spatzen zu schießen, sondern soll neue Methoden dort einsetzen, wo sie wirkliche Probleme lösen. Andernfalls kommt eine ganze Technologie in Verruf – wie es schon einmal bei der Pflanzenbiotechnologie geschehen ist.

martin.kugler@diepresse.com DiePresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2012)

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