Schützt Übergewicht vor dem Gefängnis?

Aus einem Zusammenhang lässt sich noch keine Ursache ableiten.

Wiener Forscher haben kürzlich aufgezeigt, dass Übergewichtige in Österreich deutlich seltener als Normalgewichtigewegen Gewaltdelikten in Haft sind. Warum ist das so? Und: Lässt sich daraus schließen, dass Schlanke krimineller sind?

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Body Mass Index (BMI) und Gewalttätigkeit gegenüber Personen? Das fragten sich Forscher der Wiener Med-Uni und untersuchten dazu Daten von rund 44.000 in Österreich inhaftierten Männern zwischen 18 und 55 Jahren. Kategorisiert wurde nach Haftgründen: Delikte gegen Leib und Leben, Freiheitsentziehung, Drogendelikte, Raub, Diebstahl, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Minderjährigen. Eine zweite Einteilung erfolgte nach BMI-Werten.

„Deutliche Unterschiede gab es bei den Inhaftierten wegen Verbrechen gegen Leib und Leben“, sagt Cem Ekmekcioglu vom Institut für Umwelthygiene. Untergewichtige hätten ein um 40 Prozent geringeres Risiko als Normalgewichtige, wegen solcher Delikte in Haft zu kommen. Bei Übergewichtigen sank die Inhaftierungshäufigkeit um 13Prozent, bei Adipösen, also krankhaft Übergewichtigen, sogar um bis zu 42 Prozent. Bei anderen Delikten waren Übergewichtige und Adipöseebenfalls stark unterrepräsentiert.

Das heißt aber nicht, dass Normalgewicht die Ursache für Kriminalität ist. „Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie, die keine Kausalität erklärt“, so Ekmekcioglu. Ein weit verbreiteter Irrtum unter Laien. Über die Gründe für den Zusammenhang lässt sich nämlich nur mutmaßen: So weisen Übergewichtige etwa einen höheren Serotoninspiegel im Gehirn auf. Adipöse Männer haben auch häufig niedrigere Testosteronspiegel im Blut. Zu guter Letzt kämen besonders Adipöse wegen ihrer körperlichen Verfassung für bestimmte Gewaltdelikte kaum infrage.

Das aber wären Hypothesen für weitere Forschungsarbeit, die es erst zu überprüfen gilt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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